Norden – In der beschaulichen Stadt Norden brodelt es gewaltig im Bereich der Geburtshilfe. Schwangere Frauen stehen vor einem schier unlösbaren Dilemma: Wo sollen sie entbinden? Die nächste Geburtsklinik ist in Aurich, und die zweite in Leer. Doch im Notfall? Da düst der Krankenwagen direkt nach Aurich. Die theoretische Wahlmöglichkeit wird zur Farce, denn die Realität sieht anders aus. Wie der Ostfriesische Kurier berichtet, gibt es in Norden nur vier Hebammen für 139 Geburten in diesem Jahr. Ein dramatisches Missverhältnis, das Schwangere in große Bedrängnis bringt.
Die Situation ist alarmierend: Die Hebammenzentrale des Landkreises Aurich, die 2018 ins Leben gerufen wurde, hat die Zahl der aktiven Geburtshelferinnen in Norden von einst acht auf erschreckende vier reduziert. Umzüge und Ruhestände haben die Lage weiter verschärft. In Aurich sieht es zwar besser aus, doch die bürokratischen Hürden sind hoch. Hebammen dürfen nur in einem Umkreis von 25 Kilometern arbeiten, andernfalls drohen Kürzungen durch die Krankenkassen. „Uns sind vielfach die Hände gebunden“, klagt Elke Kirsten, die Gleichstellungsbeauftragte Nordens. Die Stadt kann nur begrenzt helfen, etwa durch die Verlinkung der Hebammenzentrale auf ihrer Website.
Die Herausforderungen der Hebammen
Die Probleme sind vielfältig. Die Infrastruktur in Norden ist unzureichend, was sich auch auf die Geburtsvorbereitungskurse auswirkt. Während Aurich mit einem umfangreichen Angebot aufwartet, können die Norder Hebammen aufgrund mangelnder Räumlichkeiten keine Kurse anbieten. Zudem ist die Bezahlung der Hebammen ein großes Thema. Tanja Freese, eine erfahrene Familienhebamme, erklärt, dass eine halbe Stunde pro Mutter für die Bezahlung unrealistisch ist. „Ein Besuch dauert länger als 30 Minuten“, sagt sie. Die Hebammen fühlen sich nicht ausreichend gewürdigt, besonders da es seit Jahren keine Gehaltserhöhung gegeben hat.
Die gesellschaftliche Bedeutung der Hebammen wird oft unterschätzt. Sie sind nicht nur für die Geburt verantwortlich, sondern auch für die Vor- und Nachsorge. Ihre Arbeit entlastet das ohnehin überlastete Gesundheitssystem. „Wenn junge Mütter nicht zu ihren Hebammen gehen könnten, wären die Kinderarztpraxen noch voller“, warnt Freese. Sie geht sogar in Brennpunkte, um nicht nur die medizinische Versorgung, sondern auch die Sicherheit von Mutter und Kind zu gewährleisten.
Die Zukunft der Geburtshilfe in Norden
Die Ängste um die Zukunft der Hebammen sind greifbar. Der Nachwuchs fehlt, und die Ausbildung zur Hebamme ist mittlerweile ein Studium, das viele nicht abschließen wollen. „Früher war es schwierig, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, heute ist es umgekehrt“, so Deckert. In Oldenburg gibt es jährlich nur 35 Plätze, die oft nicht besetzt werden. Viele Absolventen ziehen es vor, an der Universität zu bleiben, anstatt direkt in die Praxis zu gehen.
Trotz aller Widrigkeiten wollen die Hebammen nicht aufgeben. „Es ist ein sehr schöner Beruf“, betont Deckert. Sie und Freese sind fest entschlossen, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern. „Die Zentralen funktionieren“, sagt Deckert und ermutigt werdende Mütter, sich bei der Hebammensuche an die Zentrale zu wenden. Freese hat einen dringenden Appell an alle Eltern: „Bitte planen Sie Ihre Geburt nicht zu den Schulferien!“ Die Hebammen sind gut vernetzt und arbeiten daran, die Situation zu verbessern, auch wenn die Rahmenbedingungen auf Bundesebene oft desolat sind, wie Kirsten feststellt.
Die Hebammen in Norden stehen vor einer gewaltigen Herausforderung, doch sie sind bereit, für ihre Zukunft zu kämpfen. Ihre Leidenschaft für den Beruf ist ungebrochen, und sie hoffen, dass sich die Bedingungen bald verbessern werden. Die Unterstützung der Gemeinschaft und ein Umdenken im Gesundheitssystem könnten entscheidend sein, um die Geburtshilfe in Norden nachhaltig zu sichern.