In Gießen wurde am vergangenen Samstag eine bewegende Gedenkveranstaltung zum Juden-Pogrom vom November 1938 abgehalten, die stark von den jüngsten Vorfällen in Amsterdam geprägt war. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher und andere Redner erinnerten eindringlich an die dunklen Kapitel der Geschichte, während sie gleichzeitig die aktuellen antisemitischen Strömungen anprangerten. Die Gedenkfeier fand auf dem Rathausvorplatz statt, wo auch Schüler des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums aus historischen Dokumenten vorlasen und damit die Erinnerung an die Opfer wachhielten.
Die Atmosphäre war durchdrungen von der Schwere der Vergangenheit, als Rabbiner Shimon Großberg das Totengebet anstimmte, während die Geräusche der Umgebung, wie das Dröhnen von Autos und das Treiben der Kino-Gäste, die Zeremonie störten. Becher betonte, dass die Gründung Israels im Jahr 1948 untrennbar mit dem Holocaust verbunden sei und dass die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft weltweit von dieser Staatsgründung abhänge. Diese Worte wurden umso bedeutungsvoller, nachdem am 7. Oktober 2023 palästinensische Terroristen in Israel über 1200 Menschen ermordeten, was als einer der schlimmsten Angriffe auf Juden seit dem Holocaust bezeichnet wurde. Die Reaktionen darauf, insbesondere in Berlin, wo einige arabischstämmige Jugendliche den Terror feierten, schockierten viele.
Ein Blick auf die Gegenwart
Die Gedenkveranstaltung wurde von den erschreckenden Ereignissen in Amsterdam überschattet, wo Fans der israelischen Fußballmannschaft Maccabi Tel Aviv nach einem Europacupspiel von pro-palästinensischen Aktivisten verfolgt wurden. Diese Vorfälle, die in der Öffentlichkeit für Aufregung sorgten, wurden von den Rednern in Gießen als alarmierendes Zeichen für den ansteigenden Antisemitismus in Europa gewertet. Pfarrer Gabriel Brand sprach über die Parallelen zwischen den historischen Ereignissen von 1938 und den heutigen Herausforderungen, die die jüdische Gemeinschaft betreffen, und forderte ein entschlossenes Handeln gegen den wachsenden Extremismus.
Die Gedenkfeier zog mehr als 200 Teilnehmer an, was einen bemerkenswerten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren darstellt. Dies zeigt, dass das Interesse an der Erinnerungskultur und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in der Gesellschaft wächst. Die Veranstaltung wurde musikalisch umrahmt und endete mit einem Kranz niederlegen am Gedenkstein für die Opfer der Naziherrschaft, ein symbolischer Akt, der die Verbundenheit mit den Opfern und die Verpflichtung zur Erinnerung verdeutlichte.
Ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus
Zusätzlich zu der Gedenkveranstaltung fand ein Mahngang durch die Innenstadt statt, an dem über 200 Personen teilnahmen. Dieser Marsch, organisiert von verschiedenen Gruppen, darunter die Omas gegen Rechts und Gießen bleibt bunt, stand unter dem Motto „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“. Die Teilnehmer legten am ehemaligen Gestapo-Hauptquartier und am Berliner Platz Kränze nieder, um ein starkes Zeichen gegen das Vergessen und den wieder aufkeimenden Antisemitismus zu setzen.
Die Gedenkveranstaltung in Gießen war nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch ein eindringlicher Appell an die Gegenwart. Die Worte von Oberbürgermeister Becher und anderen Rednern hallen nach: Die Lehren aus der Geschichte müssen ernst genommen werden, um eine Wiederholung der Gräueltaten zu verhindern. Die Ereignisse in Amsterdam und die weltweiten Reaktionen darauf sind ein eindringlicher Hinweis darauf, dass der Kampf gegen Antisemitismus und Extremismus noch lange nicht gewonnen ist, wie auch die Gießener Allgemeine berichtete.