Im Jahr 1904 hielt sich der bekannte Schriftsteller Karl May in Bad Nauheim und Friedberg auf. Dieser Aufenthalt diente jedoch nicht einem Kurzweil, sondern war im Zuge eines Gerichtsprozesses und eines Freundschaftstreffens angesetzt. Klara May, seine Frau, notierte am 26. Oktober 1904 über den Aufenthalt in Bad Nauheim.
Während seines Aufenthalts traf Karl May auf verschiedene Weggefährten, unter anderem den Mainzer Bürgermeister Dr. Emil Göttelmann. May war in einen juristischen Konflikt verwickelt, dessen Hintergründe Stadtarchivar Alexander Jung rekonstruierte. Jung, der über 90 Karl-May-Bände und Briefe in seinem Besitz hat, stellte fest, dass Mays Werk Themen wie Pazifismus, Toleranz und Völkerverständigung beinhaltet, weit über die klassischen Indianergeschichten hinaus.
Karl Mays rechtliche Auseinandersetzungen
Der Aufenthalt in Bad Nauheim war nicht der einzige juristische Streit in Mays Leben. Insgesamt war der Schriftsteller an gut hundert Prozessen beteiligt. Wie der Kriminologe Erich Wulffen hervorhebt, wurde gegen Karl May oftmals grausam verfahren, obwohl seine Werke nie der Zensur unterlagen. Sein erster Prozess war eine prägende Erfahrung; er wurde zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, nachdem er eine ausgeliehene Taschenuhr nicht zurückgab, was aus heutiger Sicht als ungerechtfertigt erachtet wird.
Nach dieser Erfahrung entwickelte May eine kriminelle Laufbahn aus Rache, dieses Thema spiegelt sich auch in seinen Schriften wider. Seine kriminelle Karriere endete mit einer Verurteilung wegen Hochstapelei, die zu vier Jahren Zuchthaus führte. Die Erfahrungen, die Karl May vor Gericht machte, prägten auch seine literarischen Werke, insbesondere die Darstellung von Unschuld und Anklage. Seine letzte Haftstrafe war eine Verurteilung wegen Amtsanmaßung, für die er drei Wochen im Gefängnis verbrachte.
Die juristische Auseinandersetzung um Karl May wurde auch wissenschaftlich aufgearbeitet. Jürgen Seul verfasste eine Biographie, die Mays Aufstiegsjahre, seinen Ehescheidungsprozess, Verlagsprozesse und sein Verhältnis zur Presse thematisiert. In diesem Zusammenhang ist das Werk „Old Shatterhand vor Gericht“ erwähnenswert, das den Umfang von 624 Seiten übersteigt und als Teil der juristischen Schriftenreihe der Karl-May-Gesellschaft nicht nur an Juristen gerichtet ist.
Der Gerichtstermin, der am 20. Oktober 1904 stattfand, brachte zunächst keine Entscheidung. Am 26. Oktober 1904 reiste Karl May mit seiner Frau nach Bad Nauheim und übernachtete im Hotel Reichshof. Dort traf er erneut auf Baurat Dr. Carl Eser und Dr. Emil Göttelmann, mit denen er eine intensive Korrespondenz pflegte. Ein Treffen zwischen May, Eser und Göttelmann fand im alten Badehaus I statt. Klara May beschrieb Göttelmann als außergewöhnlich und Eser als treu und ehrlich. Eser verabschiedete die Mays am 31. Oktober 1904 am Bahnhof mit einem Rosenbuschen. Zudem besuchte May die Buchhandlung Bindernagel in Friedberg, wo er von Geometer Julius Heineck erkannt wurde.