Im Jahr 2025 wird in Kassel ein neues Bauprojekt, das sich auf historischem Grund befindet, ins Auge fallen. Die HNA berichtet, dass im Frühjahr 2025 Ausgrabungen vor dem Karlshospital an der Weserstraße beginnen sollen. Geplant ist der Bau eines siebenstöckigen Wohnhauses mit 134 Appartements, für das bereits ein Investor gefunden wurde: die Kasseler Projektentwickler New Space AG. Die Fertigstellung des Neubaus ist für die zweite Jahreshälfte 2026 vorgesehen.
Das Baugrundstück liegt auf dem historischen Grund der Judengasse, die 1262 erstmals schriftlich erwähnt wurde und für die jüdische Kultur in Kassel von historischer Bedeutung ist. Diese Gasse war ein früherer Wohnort der jüdischen Gemeinde, die im Mittelalter in der Stadt ansässig war. Die Ausgrabungen sollen unter der Aufsicht einer Fachfirma und in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Marburg durchgeführt werden.
Ausgrabungen auf historischem Boden
Die geplanten Ausgrabungen sind von großer Bedeutung, da erwartet wird, dass auf den ersten Metern Kriegsbauschutt sowie bedeutende archäologische Funde zutage treten könnten. Diese Grabungen werden schichtweise durchgeführt, wobei eine Form wie eine umgekehrte Stufenpyramide angestrebt wird. Der Ortsbeirat Wesertor sprach sich im Sommer 2023 mit 9 zu 0 Stimmen gegen das Bauvorhaben aus, da die Appartements lediglich für Studierende oder Auszubildende des Klinikums vorgesehen sind.
Die Bedenken bezüglich des fehlenden Integrationspotenzials der Bewohner in den Stadtteil und der hohen Fluktuation sind nicht unbegründet. Zudem wurden der Mangel an bezahlbaren und Sozialwohnungen im zukünftigen Gebäude angesprochen. Dennoch konnte sich das Stadtparlament 2024 mehrheitlich für das Bauprojekt aussprechen.
Die historische Bedeutung Kassels
Um den historischen Kontext der Judengasse zu verstehen, ist ein Blick auf die Vergangenheit Kassels unverzichtbar. Laut Welt war Kassel im Jahr 1901 eine der schönsten Städte Deutschlands, wurde jedoch am 22. Oktober 1943 durch einen Bombenangriff der Royal Air Force stark zerstört. Historiker Horst Boog bezeichnete diesen Angriff als die schwerste Katastrophe einer deutschen Stadt seit dem Luftangriff auf Hamburg.
Die Attacke dauerte nur 22 Minuten, wobei etwa 500 viermotorige Bomber insgesamt 1.812 Tonnen Bomben abwarfen. Der Zerstörungsgrad in Kassel war mit 164,1 höher als in Hamburg, und mindestens 7.000 bis über 10.000 der 226.000 Einwohner kamen ums Leben. Die Zerstörung begrenzte die Möglichkeiten für einen ordnungsgemäßen Wiederaufbau und erschwerte das Erinnern an die vorherige jüdische Gemeinschaft, die während des Dritten Reiches drastisch dezimiert wurde.
Die jüdische Gemeinde Kassel hat eine bewegte Geschichte, die von Aufstieg und Rückschlägen geprägt ist. Laut Wikipedia
Die heutige Gemeinde besteht aus etwa 880 Mitgliedern. Sie erinnert an die lange und schmerzvolle Geschichte der jüdischen Ansiedlung in Kassel und das tiefere kulturelle Erbe, das bis in die Gegenwart reicht. Die bevorstehenden Ausgrabungen an der Weserstraße werden somit nicht nur archäologische, sondern auch kulturelle Bedeutung haben, indem sie uns dazu anregen, die Geschichte Kassels und die Spuren, die die jüdische Gemeinde hinterlassen hat, zu würdigen.