Javad Latifzadeh ist ein iranischer Flüchtling, der in Biebergemünd ein neues Leben begonnen hat. Gemeinsam mit seiner Frau Sara betreibt er ein Studio für Leuchtreklamen und Social Media Dienstleistungen in einem ehemaligen Kneipenlokal, das früher unter dem Namen „Zum Kinzigtal“ bekannt war. Latifzadeh stellt nicht nur Schriftzüge aus LED-Steifen und beleuchtete Logos her, sondern nutzt auch 3D-Drucker zur Anfertigung von Formen und Halterungen für seine Produkte. op-online.de berichtet, dass Latifzadeh in seiner Heimat als Journalist und Videokünstler tätig war und sich offen gegen das Regime geäußert hat, was zu seiner Inhaftierung führte.
Latifzadeh verbrachte über ein Jahrzehnt im Gefängnis, darunter 18 Monate in Einzelhaft. Obwohl er ursprünglich zu einer Todesstrafe verurteilt wurde, wurde dies letztlich in eine lange Haftstrafe umgewandelt. Er konnte während eines Hafturlaubs nach dem Tod seines Bruders fliehen. Dabei gab er sich als „Osman aus Afghanistan“ aus, um zunächst in die Türkei zu gelangen, wurde aber ins afghanische Kabul abgeschoben. Dort lebte er nahezu ein Jahr und floh schließlich über Pakistan, wo er gefährliche Situationen mit Räubern und den Taliban überstehen musste. 2015 kam er als Flüchtling in München an und wollte ursprünglich in die USA, blieb dann jedoch in Deutschland.
Ein neues Kapitel in Biebergemünd
Nachdem er Anfangs in verschiedenen Erstaufnahmelagern untergebracht war, fand Latifzadeh 2016 eine Gemeinschaftsunterkunft in Biebergemünd. Dort lernte er Deutsch und erhielt wertvolle Unterstützung von einem älteren Mann aus einer evangelischen Kirche, der ihm half, sich besser in die neue Umgebung einzuleben. Anfangs arbeitete Latifzadeh für ein Holzhandelsunternehmen und richtete seine Werkstatt im Keller des unterstützenden Mannes ein. Das Unternehmen trägt den Namen „Ars Alba“ (Weiße Kunst) zu Ehren seines Mentors.
Nach sieben Jahren der Unterstützung war Latifzadeh gezwungen, sich eine eigene Wohnung zu suchen. In dieser Zeit konnte auch seine Frau Sara nach Deutschland kommen. Bei all seinen unternehmerischen Ambitionen hat Latifzadeh Verbesserungsbedarf im Bereich Verkauf und Kundenakquise erkannt. Trotzdem ist er optimistisch und hofft auf bessere Zeiten sowie eine positive Entwicklung seiner Ideen.
Die Bedeutung von Flüchtlingsgeschichten
Die Erzählungen von Menschen wie Latifzadeh sind Teil eines größeren Kontexts: der historischen Dokumentation von Migration und Flucht. Das Online-Archiv „Archiv der Flucht“ spielt eine entscheidende Rolle in diesem Zusammenhang. Es wurde von der Publizistin Carolin Emcke initiiert und bietet eine Sammlung von Oral-History-Interviews, die sich mit den Erfahrungen von Geflüchteten in Deutschland auseinandersetzen. Ziel des Projektes ist es, die Sichtweisen von Migrant*innen sichtbar zu machen und deren Beiträge zur Gesellschaft zu betonen. Das Archiv wurde im Oktober 2021 veröffentlicht und hat seither positive Rückmeldungen erhalten.
Ein divers zusammengesetztes Team von Interviewer*innen hat die Interviews durchgeführt, um eine breite Diversität hinsichtlich Geschlecht, Herkunft und religiösem Hintergrund sicherzustellen. Diese Sammlung ist besonders relevant, da sie die Perspektive von Menschen darstellt, die zwischen 1945 und 2016 nach Deutschland geflohen sind, und somit eine wertvolle Quelle für politische und kulturelle Bildung darstellt. Die verschiedenen Materialien werden unter einer offenen Lizenz bereitgestellt und sind als Open Educational Resources (OER) verfügbar. Diese Initiative verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Geschichten von Migrant*innen in der deutschen Geschichte zu integrieren und weiterhin zu fördern.
In der Berichterstattung über die Herausforderungen und Errungenschaften von Menschen mit Fluchtgeschichte, wie es bei Latifzadeh der Fall ist, wird deutlich, wie vielfältig und bereichernd die gesellschaftlichen Beiträge dieser Personen sein können. An diesen Gewinnen muss in der Gesellschaft weiterhin gearbeitet werden, um ein integratives und respektvolles Miteinander zu fördern.