In Gießen stehen seit Ende der 1930er Jahre Winkel-Luftschutztürme, die als Vorbereitungsmaßnahmen für den Krieg in Kasernen errichtet wurden. Diese Türme sind nicht nur während ihrer ursprünglichen Nutzung von Bedeutung, sondern haben auch historische Relevanz: Acht dieser einstigen Schutzbauwerke stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Dennoch ist die aktuelle Situation der Zivilschutzanlagen in der Stadt alles andere als beruhigend. Stadtverordnete Martina Lennartz von der DKP stellte kürzlich im Stadtparlament die Frage nach existenten Bunkern und Schutzräumen.
Der Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) bestätigte in seiner Antwort, dass es in Gießen keine offiziell als Schutzräume ausgewiesenen Bunkeranlagen gibt. Die Stadt hat zwar einige als Schutzräume eingerichtete Bauten, doch diese befinden sich überwiegend in privater Hand. Beispiele sind die sogenannten „Spitzbunker“ in der Nähe ehemaliger Kasernen und im Bereich des Landratsamtes. Auch in den 1950er Jahren wurden Schutzräume in bestimmten Gebäuden errichtet, beispielsweise an der Universität.
Änderungen in der Sicherheitslage
Wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erklärt, hat sich die Sicherheitslage seit dem Ende des Kalten Krieges grundlegend verändert. Im Jahr 2007 beschloss der Bund, das bisherige Schutzraumkonzept aufzugeben und die Erhaltung dieser Anlagen einzustellen. Dieser Prozess wurde jedoch am 17. März 2022 vom Bundesinnenministerium gestoppt, sodass eine Bestandsaufnahme der noch nicht rückabgewickelten Schutzräume durchgeführt wird. In Hessen ist die Koordination der Katastrophenschutzbehörden angesiedelt, jedoch ohne direkte Einbindung von Städten und Gemeinden.
Die Aufgaben der kommunalen Zivilschutzbehörden konzentrieren sich auf die Warnung und Selbstschutzförderung der Bevölkerung. In Gießen existieren 31 betriebsbereite Sirenen sowie verschiedene digitale Warnmedien, die zur Informierung der Bürger beitragen. Öffentlichkeitsarbeit zur Bevorratung von Lebensmitteln und die Aufklärung über Warnsignale sind ebenfalls Teil der Initiativen zur Selbstschutzförderung.
Aktuelle Bestandsaufnahme und Nutzung von Schutzräumen
In Deutschland existieren noch rund 600 öffentliche Luftschutzbunker. Diese Zahl, die aus einer aktuellen Bestandsaufnahme stammt, stellt eine erschreckend niedrige Verfügbarkeit an schützenden Einrichtungen dar, vor allem im Hinblick auf mögliche kriegerische Auseinandersetzungen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte im Februar 2023 klar, dass es in Zukunft keine Zivilschutzbunker für Millionen Menschen geben werde. In der alten Bundesrepublik gibt es zwar etwa 2000 solcher Schutzraumanlagen, jedoch viele davon in einem maroden Zustand.
Gießen hat keine Detailinformationen über den Zustand und die Zugänglichkeit seiner Bunker und Schutzräume. Aktuell sind viele der altehrwürdigen Luftschutzanlagen, viele aus dem Zweiten Weltkrieg, mittlerweile verfallen. Die Nutzung der bestehenden Räume ist äußerst limitierend und oft auf friedliche Zwecke beschränkt, wie zum Beispiel Katastrophenschutz oder Vereinsaktivitäten.
Die Wiederherstellung und Instandhaltung dieser Schutzräume werden von der Bundesregierung jedoch nicht priorisiert. Bei einer Reaktivierung hängen die Möglichkeiten stark vom jeweiligen Schutzniveau ab. Während die GSW Gesellschaft für Soziales Wohnen einen Bunker in einen Kletterturm umgebaut hat, bleibt der Zugang zu vielen anderen Bunkern in Gießen der Öffentlichkeit verwehrt.
Zusammenfassend zeigt sich, dass Gießen in punkto Zivilschutz und Schutzräume vor großen Herausforderungen steht. Die offizielle Politik hat sich stark verändert, und die baukulturellen Schätze aus der Zeit des Kalten Krieges scheinen oft nur Relikte einer vergangenen Ära zu sein, wobei die Bedrohung für die Zivilbevölkerung in einem sich verändernden geopolitischen Kontext nicht ignoriert werden darf. Mehr Informationen über den aktuellen Stand der Schutzräume sind auf der Homepage des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erhältlich.
Für mehr Informationen besuchen Sie die Berichte von Gießener Anzeiger, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und Minehunters.