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Tagebuch als Zuflucht: Gefühle und Gedanken von Jugendlichen in Neuenhagen

Tagebuchschreiben wird an der "ChangeWriters Schule" in Neuenhagen bei Berlin von Lehrerin Irene Lange und ihren Schülern praktiziert, um Emotionen zu verarbeiten und Druck abzubauen, während die Einträge an die Erfahrungen von Anne Frank erinnern und die Relevanz von Selbstreflexion für Jugendliche unterstreichen.

Das Tagebuchschreiben als emotionaler Rückzugsort hat in der jüngeren Generation an Bedeutung gewonnen. Viele Jugendliche nutzen diese Form des schriftlichen Ausdrucks, um ihre inneren Konflikte, Ängste und Freuden zu verarbeiten. Dies zeigt auch ein Projekt an der „ChangeWriters Schule“ in Neuenhagen bei Berlin, wo der Unterricht gezielt auf die Integration von Tagebucharbeit ausgerichtet ist.

Einblicke in den Schulalltag

Die Lehrerin Irene Lange, die regelmäßig das Tagebuchschreiben mit ihren Schülerinnen und Schülern praktiziert, betont die Relevanz dieser Methode. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, ihre Gedanken offen darzulegen. „Ein Tagebuch kann eine Art Türöffner sein. Vor der Bildung kommt erst der Beziehungsaufbau“, erklärt Lange. Ihre Schüler, oft aus schwierigen Verhältnissen stammend, finden in ihren Aufzeichnungen eine Stimme, die sonst schwer zu erreichen wäre.

Die Parallelen zu Anne Frank

Ein besonders bewegendes Element im Unterricht ist das Lesen des Tagebuchs von Anne Frank. Lange hebt hervor, dass viele Eintragungen der Schülerinnen und Schüler in ihrer Emotionalität und Thematik vergleichbar sind mit denen der jungen Anne. „Viele kämpfen mit Familieproblemen und dem Gefühl der Ohnmacht, so wie sie es damals tat“, so Lange. Diese Erkenntnis zeigt, dass die Themen von Generation zu Generation oft ähnlich sind, trotz des zeitlichen Abstands.

Ein Ventil für junge Menschen

Für viele Schüler ist das Tagebuchschreiben auch eine Möglichkeit, Druck abzulassen. „Das hilft den Jugendlichen, sich verstanden zu fühlen und die eigene Identität zu finden“, sagt Lange weiter. In der supervisierten Umgebung der Schule wird ihnen ein Raum geboten, um sich mit persönlichen Themen auseinanderzusetzen, sei es Freude oder Traurigkeit. Ein solches Vorgehen ist wichtig, vor allem für diejenigen, die aufgrund von verschiedenen Lebensumständen, wie psychischen Erkrankungen oder Rückschlägen im Bildungsweg, straucheln.

Die Herausforderungen des Schreiben

Lange stellt klar, dass sie keine Bewertungen abgibt. Das Ziel ist nicht, die Grammatik oder Rechtschreibung zu beurteilen, sondern den Inhalt und die ehrlichen Gedanken ihrer Schüler zu fördern. „Ich habe das Vertrauen der Schüler zu schätzen“, sagt sie und möchte eine positive Schreibumgebung schaffen.

Hinweise auf ernsthafte Probleme

Die intime Form des Tagebuchschreibens kann sogar als Hilferuf dienen. Lange hat in der Vergangenheit Einträge gelesen, die auf ernsthafte Probleme deuteten. „Wenn ich solche Einträge sehe, handle ich“, erklärt sie und zieht bei Bedarf Psychologen oder Sozialarbeiter hinzu. Hier zeigt sich die wichtige Rolle, die Lehrer in der emotionalen Unterstützung ihrer Schüler spielen.

Ein Trend unter Jugendlichen

Laut einer Umfrage schreiben acht Prozent der Bundesbürger regelmäßig in ihr Tagebuch. Unter den unter 30-Jährigen sind es sogar 16 Prozent. Für viele ist das Tagebuch ein bewusster Kontrast zu den oft digitalen Selbstdarstellungen in sozialen Medien. Das Schreiben von Hand bietet eine greifbare, persönliche Erfahrung und verleiht den Gedanken eine besondere Form von Gewicht.

Der persönliche Mehrwert

Für viele Jugendliche ist das Tagebuch eine Möglichkeit, ihre Erinnerungen festzuhalten, sei es in schlechten oder guten Zeiten. Chantal und Andela, zwei Schülerinnnen, berichten von ihren Erfahrungen im Schreiben. Es gibt eine Art von kathartischer Wirkung, die durch das Schriftliche entsteht, und die den Jugendlichen hilft, sich selbst besser zu verstehen.

In der heutigen schnelllebigen Welt ist das Tagebuchschreiben ein einfaches, aber wirksames Mittel für Jugendliche, ihre inneren Konflikte zu bewältigen und ihre Gedanken zu ordnen. Es bietet nicht nur Ruhe, sondern auch eine tiefere Einsicht in das eigene Leben und die Herausforderungen, mit denen man konfrontiert ist.

NAG

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