Am 4. April 2025 wurde das Gießener Manisch als Teil der Rotwelsch-Dialekte offiziell zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO ernannt. Diese bedeutende Auszeichnung wurde von der Stadt Gießen initiiert und fand breite Unterstützung in der hessischen Bevölkerung. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) bezeichnete die Anerkennung als „latscho Nachricht“ und unterstrich die Rolle des Manischen als Identifikationsmerkmal für Gießen. Das Manisch, eine umgangssprachliche Bezeichnung für die Jenische Sprache, wuchs von einer Geheimsprache gesellschaftlicher Randgruppen zu einem Symbol der gemeinsamen Identität der Gießener Bevölkerung.
Timon Gremmels, Hessens Kunst- und Kulturminister (SPD), betonte, dass die Sprache Teil der lebendigen Kultur in der Region sei. Er lobte das Engagement der Bürger zur Erhaltung der Tradition des Manischen, das in den Stadtteilen Eulenkopf, Margaretenhütte und Gummiinsel gesprochen wird. Manisch erzählt nicht nur von der Geschichte der Stadt, sondern geleitet auch durch das kulturelle Erbe der verfolgten Minderheiten wie jüdischen, jenischen sowie Sinti- und Roma-Gemeinschaften.
Hintergrund und Antrag auf Anerkennung
Der Antrag zur Anerkennung des Gießener Manischen wurde im Herbst 2023 von Klaus Siewert, einem Sprachwissenschaftler und Gründer der Internationalen Gesellschaft für Sondersprachenforschung, eingereicht. Die Stadt Gießen unterstützte diesen Antrag und argumentierte, dass das Manisch von einer Geheimsprache für sozial Benachteiligte zu einem wichtigen Identitätsmerkmal geworden ist. Diese Dialekte, zu denen das Gießener Manisch gehört, vermitteln nicht nur Sprachkompetenzen, sondern auch kulturelles Wissen, das über Generationen weitergegeben wird.
Das Gießener Manisch erhielt nun denselben Status wie renommierte deutsche Traditionen, darunter der Rheinische Karneval und die Apfelweinkultur. Seit den 1970er Jahren spielt es eine zunehmend bedeutsame Rolle in verschiedenen medialen Formen und wird auf Graffitis, T-Shirts, Tassen und Postkarten in der Stadt dargestellt. In der kommenden Zeit wird eine Dauerausstellung im Museum für Gießen geplant, die Geschichten, Lieder und Sprachbeispiele des Manischen präsentiert.
Die Rotwelsch-Dialekte im Kontext
Die Rotwelsch-Dialekte sind als Kulturform und Immaterielles Kulturerbe anerkannt worden, was zeigt, wie dynamisch die sprachlichen Traditionen Deutschlands sind. Diese Form der Sprache entstand ursprünglich als geheime Kommunikationsweise in Randgruppen und setzt sich aus Deutsch, Westjiddisch, Romani und weiteren Einflüssen zusammen. Die Eintragungen im Landesinventar Nordrhein-Westfalens und die Nominierung für das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes beweisen das wachsende Interesse an diesem kulturellen Erbe.
Eine UNESCO-Konvention von 2003 stellte zunächst ein Hindernis für die Anerkennung dar, da „Sprachen“ nicht als Immaterielles Kulturerbe anerkannt werden konnten. Doch die Lern- und Ausdrucksmöglichkeiten, die diese Dialekte bieten, wurden schließlich in einer Neubewertung berücksichtigt. Ab 2025 wird die Internationale Gesellschaft für Sondersprachenforschung einen Preis für die „Beste innovative Aktionsform zum Erhalt der Kulturform Rotwelsch-Dialekte“ verleihen, um die Bemühungen um den Erhalt dieser Sprache zu würdigen.