In Nordhessen schlägt eine Gruppe von sechs absoluten Verantwortlichen Alarm über die drastische Verschlechterung der Haushaltslage ihrer Landkreise. Vier Landräte und eine Landrätin, die zusammen rund 800.000 Menschen in ihren jeweiligen Regionen vertreten, forderten bei einem Pressegespräch im Kasseler Kreishaus mehr Unterstützung von Bund und Land, um die Herausforderungen im sozialen Bereich bewältigen zu können. Die Situation sei bereits „fünf nach zwölf“, wie die Beteiligten betonten, und sie warnen vor der Gefahr einer Insolvenz in den betroffenen Landkreisen. Dies berichtet hessenschau.de.
Die Landräte, darunter Andreas Siebert (SPD, Kassel), Jürgen van der Horst (parteilos, Waldeck-Frankenberg), Winfried Becker (SPD, Schwalm-Eder), Torsten Warnecke (SPD, Hersfeld-Rotenburg) und Nicole Rathgeber (Freie Wähler, Werra-Meißner), haben ein Positionspapier unterzeichnet, das an politische Entscheidungsträger auf Landes- und Bundesebene gerichtet ist. Die steigenden Sozialabgaben und der damit verbundene Finanzierungsbedarf würden den Handlungsspielraum der Kommunen zunehmend einschränken.
Finanzierungslücken und steigende Anforderungen
Die Kassenlage der Landkreise ist durch eine Kombination aus steigenden Ausgaben und stagnierenden Einnahmen alarmierend. Der Hessische Kreistag hatte bereits im November 2024 auf die besorgniserregende Haushaltslage hingewiesen. Landrat Becker kritisierte die bisherige Ausgabenpolitik und bezeichnete die aktuelle Krisensituation als dringend lösungsbedürftig. Auch Landrat Siebert äußerte Bedenken hinsichtlich der Handlungsfähigkeit der Behörden und der Integrität der Demokratie selbst.
Ein zentrales Thema der Warnungen ist der steigende Finanzierungsbedarf im Bereich sozialer Leistungen. Landrätin Rathgeber berichtete von einem Anstieg der Transferleistungen im Werra-Meißner-Kreis von 60 Millionen Euro im Jahr 2020 auf bemerkenswerte 95 Millionen Euro im Jahr 2025. Diese Erhöhung korreliert mit der Pflicht zur Einführung von Ganztagsbetreuung für alle Erstklässler ab 2026, was zusätzliche finanzielle Belastungen mit sich bringt.
Die Krankenhäuser in den betreffenden Landkreisen sind ebenfalls in einer prekären Lage. Trotz eines bestehenden Versorgungsauftrags schreiben viele von ihnen rote Zahlen, was die finanzielle Situation weiter verschärft. Die Abhängigkeit von Zuweisungen aus dem Bund und von Land stellt eine erhebliche Herausforderung dar, und die Landräte fordern eine dringende Überprüfung der Verteilung von Steuergeldern sowie eine Anpassung der Sozialleistungsgesetze.
Politische Reaktionen und Ausblick
Während die verantwortlichen Politiker sich Sorgen um die zukünftige Finanzlage machen, betont das Hessische Finanzministerium, dass sich die finanzielle Situation der Kommunen in den letzten zehn Jahren verbessert habe. Diese widersprüchliche Einschätzung lässt auf eine tiefer liegende Problematik schließen, die möglicherweise durch die schwerwiegenden Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie der Energiekrise von 2022 hervorgerufen wurde. Diese Ereignisse hatten auch zu einem rekordhohen Verschuldungsgrad in der gesamten Bundesrepublik geführt, der 2023 auf 2.446 Milliarden Euro anstieg, was 63,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, wie auf bpb.de dargelegt wird.
Die Landräte gaben zu verstehen, dass sie sich in der Rolle von „Insolvenzverwaltern“ sehen, die darum kämpfen, ihre Kommunen am Leben zu halten. Es wird gehofft, dass das Positionspapier Gehör findet und Veränderungen bewirken kann, die den Landkreisen ein Überleben in der gegenwärtig herausfordernden finanziellen Landschaft sichern.