In einer aktuellen Diskussion über die Gradlinigkeit der politischen Rhetorik hat Oberbürgermeister Sven Schoeller von Kassel CDU-Chef Friedrich Merz zu einem Gespräch eingeladen. Anlass sind Merz‘ umstrittene Äußerungen hinsichtlich der Ermordung des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Dieser wurde 2019 von einem Rechtsextremen getötet. Merz stellte während seines Auftritts in München die Frage, wo die Protestierenden gegen die rechte Gewalt während des Mordes waren. Diese Aussagen haben in der Öffentlichkeit für Empörung gesorgt und lassen die Wurzeln des Rechtsextremismus in Deutschland wieder hochkochen.
Schoeller betonte, dass Merz mit seinen Worten den Menschen, die gegen Rechtsextremismus demonstriert haben, einen Schlag ins Gesicht gegeben habe. Auf seinem Instagram-Profil lud er Merz zu einem Kaffee ein, um über demokratische Werte zu diskutieren. „Walter Lübcke war ein Patriot“, so Schoeller, der die Reaktion von Irmgard Braun-Lübcke, der Witwe von Lübcke, lobte. Diese hatte Merz‘ Äußerungen als „sehr befremdlich“ bezeichnet und daran erinnert, dass nach dem Mord ein starkes gesellschaftliches Bekenntnis zur Demokratie und zu den gemeinsamen Werten stattfand.
Familien Reaktion und der öffentliche Diskurs
Irmgard Braun-Lübcke erklärte, dass sich nach dem Mord an ihrem Mann Tausende Menschen in Städten wie Wolfhagen und Kassel versammelt hatten, um für ein sicheres und demokratisches Deutschland zu demonstrieren. In diesen Protesten war eine klare Botschaft zu erkennen, dass die Gesellschaft nicht wegschaut und sich klar gegen rechtsextremistische Übergriffe stellt. Diese Haltung wird auch von der Kasseler Demokratie-Initiative „Offen für Vielfalt“ unterstützt, die Merz‘ Aussagen als unangemessen kritisierte.
Zusätzlich forderte Minister Timon Gremmels eine Entschuldigung von Merz bei den Menschen in Nordhessen. Auch Peter Altmaier, ein ehemaliger Minister und CDU-Politiker, plädierte für ein offenes Gespräch mit der Familie von Walter Lübcke. Der Kontext dieser Aussagen wird durch die jüngsten Ereignisse um rechtsextreme Gewalt in Deutschland verstärkt, die in den letzten Jahren gestiegen ist, was die Relevanz des Themas unterstreicht.
Der Schatten der Vergangenheit
Der Mord an Walter Lübcke ist nicht nur ein individuelles Verbrechen, sondern auch ein Teil eines besorgniserregenden Trends in Deutschland. Die rechtsextremen Straftaten haben in den letzten Jahren zugenommen. Laut dem Bundeskriminalamt wurden von 1989 bis 2020 zahlreiche Tötungsdelikte als rechtsmotiviert erfasst. Die Bundesregierung hat daraufhin Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus angekündigt.
Friedrich Merz äußerte sich während seiner Äußerungen in München und machte dabei deutlich, dass der Umgang mit Rechtsextremismus und die Reflexion über die gesellschaftlichen Werte einen zentralen Platz in der Politik einnehmen sollten. Gedenkveranstaltungen und das gesellschaftliche Bekenntnis können nichts anderes sein als ein gemeinsamer Schritt in eine Zukunft, wo solch abscheuliche Taten nicht mehr Realität sind. Doch bleibt abzuwarten, wie Merz auf die Kritik reagiert. Eine Anfrage an ihn blieb bisher unbeantwortet.