Am vergangenen Samstag fand der Neujahrsempfang der Landeshauptstadt Wiesbaden statt, bei dem Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und der Gastredner Michel Friedman zentrale Themen der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts anschnitten. Mende nutzte die Gelegenheit, um auf die Herausforderungen des vergangenen Jahres zu reflektieren und einmal mehr sein Engagement für die Demokratie zu unterstreichen. In diesem Kontext stellte Friedman eine brisante Frage: Haben sich die Demokraten möglicherweise überschätzt?
Die Veranstaltung, die gut besucht war und zahlreiche prominente Gäste anzog, darunter Staatsminister Jürgen Decker und mehrere Ehrenbürger, thematisierte die Wehrhaftigkeit der Demokratie und die wachsenden Gefahren durch Extremismus und Autokratie. Friedman warnte eindringlich, dass die Demokratie nicht unantastbar sei und von Innen und Außen bedroht werde. Vor allem die Selbstzufriedenheit derjenigen, die für die Freiheit und das demokratische System eintreten, kritisierte er scharf.
Gefahren für die Demokratie
In seinen Ausführungen äußerte Friedman Besorgnis über eine besorgniserregende Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses. Besonders heftig kritisierte er die zunehmende Normalisierung extremistischer Positionen, wie beispielsweise den Begriff „Remigration“, der in politischen Debatten immer häufiger als legitim erachtet werde. Ihm zufolge stellt Gleichgültigkeit die größte Bedrohung für die Demokratie dar.
Um die Herausforderungen, vor denen die westlichen Demokratien heute stehen, besser zu verstehen, ist es wichtig, Friedmans breitere Perspektive auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu berücksichtigen. In einem Interview äußerte der Publizist und ehemalige Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses seine Besorgnis über autokratische Staaten und den aufkeimenden Populismus in Europa. Seiner Meinung nach ignorieren viele westliche Demokratien seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 die gefährlichen Entwicklungen, die nicht nur auf dem Kontinent, sondern weltweit zu beobachten sind.
Populismus und Pluralismus
In seinem diskursiven Ansatz betonte Friedman die Verantwortung der demokratischen Parteien für den Aufstieg populistischer Bewegungen. Dieses Phänomen ist nicht nur ein europäisches Problem; auch in den USA oder anderen Ländern wird der Pluralismus, ein essenzielles Merkmal demokratischer Gesellschaften, zunehmend in Frage gestellt. Wie lpb-bw.de erklärt, erkennen Populisten den Pluralismus nicht an und präsentieren das Volk als eine homogene Einheit, wobei andere Meinungen als Verrat am „Volkswillen“ abgewertet werden.
Friedman plädiert dafür, dass die Bürger aktiv für die Demokratie eintreten und sich den Autoritarismus und Extremismus entgegenstellen. Dabei geht es nicht nur um die Ablehnung von extremen Positionen, sondern auch um das Eintreten für die Werte der Aufklärung, die er als Basis für eine fortschrittliche Gesellschaft sieht. Die Herausforderungen, die uns heute begegnen, sind komplex, und einfache Antworten sind nicht die Lösung – der Dialog und die Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen sind essenziell.
Mit einem eindringlichen Appell an die Bürger, sich für die Demokratie stark zu machen, endet der Neujahrsempfang. Die Botschaften von Mende und Friedman zur Wehrhaftigkeit der Demokratie und der Notwendigkeit, aktiv zu handeln, sind zeitgemäßer denn je.