Ein 44-jähriger Pfleger steht derzeit vor dem Landgericht Aachen, wo ihm vorgeworfen wird, zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 neun Patienten auf einer Palliativstation in Würselen getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat ihm insgesamt 26 Fälle zur Last gelegt, in denen er starke Beruhigungs- und Schmerzmittel verabreicht haben soll, was in neun Fällen tödlich endete. In 34 weiteren Fällen wird von Mordversuchen ausgegangen, berichtet Ärzteblatt.
Der Angeklagte hat sich zu Beginn des Prozesses nicht geäußert. Die Staatsanwaltschaft beschreibt ihn als jemand, der sich selbst zum „Herr über Leben und Tod“ erhoben habe, um den Arbeitsaufwand während seiner Nachtschichten zu minimieren. Überwiegend handelt es sich bei den Opfern um todkranke und hochbetagte Patienten. Der Pfleger soll die Medikamente Midazolam und Morphium sowohl schlafenden als auch wachen Patienten verabreicht haben, um die Kontrolle über deren Schmerz und Sedierung zu erlangen.
Die Bedeutung von Midazolam in der Palliativpflege
Midazolam ist ein häufig verwendetes Benzodiazepin in der Palliativpflege und gehört zu den vier essentiellen Medikamenten für die Versorgung todkranker Patienten. Es wirkt auf den Benzodiazepinrezeptor, verstärkt die Wirkung von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und hat sedative, anxiolytische und antikonvulsive Eigenschaften. Die Anwendung von Midazolam in der Palliativpflege wird durch seine schnelle Wirksamkeit und Flexibilität im Dosing geschätzt. Laut PMC zeigt es bei intravenöser und subkutaner Verabreichung innerhalb von Minuten eine Wirkung. In der Regel wird Midazolam zur Behandlung von Angst, Delirium und für die palliative Sedierung eingesetzt.
Die individuelle Dosierung von Midazolam ist besonders wichtig, insbesondere bei älteren Patienten, bei denen die Clearance des Medikaments verringert sein kann. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte, trotz beruflicher Erfahrung und Kompetenz seit seiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger im Jahr 2007, bei pflegeintensiven Patienten an Empathie mangelte und sich häufig genervt zeigte.
Ethische Fragestellungen in der Palliativmedizin
Der Fall wirft auch grundlegende ethische Fragen auf, die in der Palliativmedizin regelmäßig diskutiert werden. Themen wie Patientenautonomie, Therapiebegrenzung und die Rolle der ärztlichen Assistenz zur Sterbehilfe stehen im Fokus. Die Arbeitsgruppe Ethik in der Palliativmedizin beschäftigt sich mit diesen Themen und hat 95 Mitglieder, die aus verschiedenen Berufen mit unterschiedlichen moralischen Überzeugungen kommen. Diese Gruppe ist aktiv in Ethikkomitees und diskutiert unter anderem auch spezielle Entscheidungssituationen wie ärztlich assistierten Suizid oder Tötung auf Verlangen. Weitere Infos hierzu finden sich auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.
Der Prozess wird als umfangreich beschrieben, mit zahlreichen Zeugen, darunter ehemalige Kollegen und Vorgesetzte des Angeklagten, die vernommen werden sollen. Die nächsten Verhandlungstage sind bis Anfang Juni angesetzt, ab Mitte Juni wird dann wöchentlich verhandelt.