In Deutschland wurden in mehreren Städten Spuren des Poliovirus im Abwasser nachgewiesen. Diese Alarmzeichen treten in Städten wie München, Bonn, Köln, Hamburg, Dresden, Düsseldorf, Mainz, Stuttgart und Berlin auf. Der Nachweis geht auf Proben zurück, die zwischen Anfang November 2024 in Berlin und Anfang Dezember 2024 in Stuttgart entnommen wurden. Die ermittelten Viren stammen nicht vom Wildtyp des Poliovirus, sondern sind Teile der abgeschwächten lebenden Viren, die in der Schluckimpfung verwendet werden. Diese können bis zu sechs Wochen nach der Impfung von Geimpften ausgeschieden werden, wie merkur.de berichtet.
Virologe Christian Drosten aus Berlin hebt hervor, dass die Gefahr einer Infektion äußerst gering sei, insbesondere bei geimpften Personen. Er betont jedoch, dass es sinnvoll sei, den persönlichen Impfschutz zu überprüfen. Polio, auch bekannt als Kinderlähmung, ist eine hoch ansteckende Viruskrankheit, die auch Erwachsene betreffen kann. Übertragungswege sind vor allem durch Stuhl und direkte Kontaktübertragung (Hand-Mund). Die klassischen Symptome umfassen Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen, während schwerwiegende Folgen wie Lähmungen und Hirnhautentzündungen nur bei 0,1 bis 1 Prozent der Infizierten auftreten.
Impfsituation und Empfehlungen
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt weiterhin eine Impfung gegen Polio, besonders für Säuglinge sowie Auffrischungsimpfungen im Alter von neun bis 16 Jahren. Bei Reisen in Polio-Risikogebiete sollte zudem eine zusätzliche Impfung in Betracht gezogen werden. Es bleibt jedoch unklar, ob die in Deutschland gefundene Viruslast aus dem Ausland stammt oder ob bereits lokale Übertragungen stattgefunden haben. Verdachtsfälle auf Polio sind in Deutschland und anderen betroffenen europäischen Ländern bislang nicht bekannt.
Die Situation in Europa ist nicht isoliert. Auch in spanischen, polnischen, britischen und finnischen Abwasserproben wurden Polioviren nachgewiesen. Diese jüngsten Funde sind ein drängender Hinweis darauf, dass poliofreie Regionen nicht vor einer Wieder-Einführung des Poliovirus geschützt sind. Der Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) betont die Wichtigkeit von hohen Impfquoten in der Bevölkerung, um das Risiko einer Wiederintroduktion zu minimieren. Besonders muss darauf geachtet werden, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit niedrigeren Impfquoten nicht übersehen werden.
Überwachung und Sicherheit
Um die Viruszirkulation genau zu überwachen, sind fortlaufende genetische Untersuchungen sowie Empfehlung zur Erhöhung der Impfaufnahme in der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Um Immunitätslücken zu schließen, sollten nationale Gesundheitsbehörden kontinuierlich die Impfquoten überwachen. Das ECDC ruft zu einer verstärkten Überwachung auf, einschließlich der Erkennung akuter schlaffer Lähmungen und Umweltüberwachungsmaßnahmen.
Die globale Initiative zur Ausrottung von Polio hat in der Vergangenheit große Erfolge erzielt. Die WHO erklärte die europäische Region bereits im Jahr 2002 für poliofrei. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, die Virusübertragung zu stoppen und sicherzustellen, dass die Bevölkerung ausreichend geschützt ist. Historisch war Polio eine bedeutende Ursache für mortalität und Behinderungen.
In der EU und den europäischen Wirtschaftsraum (EEA) zeigt eine interaktive Karte des ECDC Länder, die vom hohen Risiko für poliovirus-Übertragungen betroffen sind. Diese Karte verfolgt die Entwicklungen und erleichtert den Überblick über den aktuellen Impfstatus und die Viruszirkulation in verschiedenen Regionen, wie auch die ECDC führt fortlaufend aktuelle Daten zur Polio-Situation in Europa.
Die Bevölkerung wird dringend aufgefordert, Versäumnisse bei Impfungen schnellstmöglich nachzuholen, um die Gesundheit aller effektiv zu schützen.