Der Deutsche Turner-Bund (DTB) steht vor einem umfassenden Skandal, der sich aus zahlreichen Missbrauchsvorwürfen gegenüber Trainern und Betreuern ergibt. In den letzten Wochen haben sich immer mehr ehemalige Turnerinnen und Turner zu Wort gemeldet, um über schwerwiegende Missstände in deutschen Turnzentren zu berichten. Radio Euskirchen berichtet, dass DTB-Präsident Alfons Hölzl derzeit großen Ungewissheiten gegenübersteht und äußert, dass weitere Meldungen in der Zukunft nicht ausgeschlossen sind.
Die Beschuldigungen konzentrieren sich insbesondere auf autoritäre Trainingsmethoden und systematischen körperlichen sowie mentalen Missbrauch in Stützpunkten wie Mannheim und Stuttgart. Die vielfach geäußerten Klagen beschreiben katastrophale Umstände, die von den Athletinnen und Athleten erlebt wurden. Besonders dramatisch sind die Berichte der Deutschen Rekordmeisterin Elisabeth Seitz, die Vorfälle am Stützpunkt Mannheim zur Sprache bringt.
Gewalt und Missbrauch im Leistungssport
Die aktuellen Vorwürfe stehen im Kontext einer breiteren Diskussion über sexuellen Missbrauch im Sport. Dies wird auch durch eine unabhängige Untersuchung untermauert, die eine Vielzahl von Übergriffen in Turnhallen sowie während Fahrten zu Wettkämpfen in den Fokus rückt. Die Aufarbeitungskommission verdeutlicht, dass es keine Kultur des offenen Sprechens oder Zuhörens über Gewalt im Sport gibt. Betroffene berichten häufig von Unverständnis und Zurückweisung innerhalb ihrer eigenen Vereine.
„Ich weiß nicht, was noch kommt“, so Hölzl weiter, und verdeutlicht damit die Ernsthaftigkeit der Situation. Zu den konkreten Maßnahmen zählt die vorläufige Freistellung zweier Trainer des Kunst-Turn-Forums in Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt derzeit Ermittlungen wegen Nötigung gegen einen ehemaligen Trainer des Forums. Zudem hat die DTB eine Kanzlei aus Frankfurt am Main mit der umfassenden Untersuchung der Vorwürfe beauftragt und unterstützt die behördlichen Ermittlungen, zu denen auch Durchsuchungen in mehreren Objekten, einschließlich der Geschäftsstelle des Schwäbischen Turnerbundes, gehören.
Reformation im Deutschen Turner-Bund
Als Teil der Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe hat Ex-Bundestrainerin Ulla Koch ihr Amt als Vizepräsidentin vorübergehend niedergelegt. Um künftig für mehr Transparenz und Sicherheit zu sorgen, plant der DTB die Einrichtung eines interdisziplinär besetzten Expertenrates. Hölzl hat zudem angekündigt, dass Verantwortliche für nachgewiesenes Fehlverhalten entlassen werden.
Die Situation wirft Fragen zur Struktur und zu den Hierarchien im deutschen Leistungssport auf. 2023 wurden bereits fatale Abhängigkeitsverhältnisse und Machtmissbrauch durch Erwachsene in diesen Systemen benannt, was auf einen dringend benötigten Kulturwandel hinweist. Ein zentraler Punkt dabei ist die notwendige Aufarbeitung der Vergangenheit, um betroffenen Athleten Gehör zu verschaffen und eine Veränderung herbeizuführen.
Der DTB steht nun vor der Herausforderung, nicht nur auf die Vorwürfe zu reagieren, sondern auch proaktive Maßnahmen zum Schutz der Athleten zu ergreifen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Missbrauch nicht nur aufgedeckt, sondern auch geahndet werden kann.