In Bad Orb wird eine leerstehende Kirche zur Boulderhalle umgestaltet. Die ehemaligen Räume der katholischen Kirche St. Michael, die seit 2016 ungenutzt sind, sollen bald als „Boulderchurch“ genutzt werden. Damit entsteht das erste deutsche Kirchengebäude zum Bouldern, ein Konzept, das auch in Mönchengladbach bereits umgesetzt wurde. Bauherren sind die leidenschaftlichen Kletterer Marc Ihl (35) und Marco Köhler (42), die sich für dieses innovative Projekt entschieden haben, nachdem die örtliche Kirchengemeinde den Pachtvertrag unterzeichnete.
Die Eröffnung der Boulderhalle ist für den 12. April 2025 geplant und wird eine beeindruckende Fläche von 750 Quadratmetern umfassen. Verschiedene Kletterrouten sollen zukünftige Besucher anlocken. Die Umbaukosten belaufen sich auf nahezu eine halbe Million Euro, wobei 100.000 Euro als regionale Förderhilfe bereitgestellt werden. In der Kirche wird eine kleine, weiterhin geweihte Kapelle bestehen bleiben, die über einen separaten Zugang verfügt, um Gläubige von der Boulderhalle zu trennen. Der Bischof von Fulda, Michael Gerber, hat bereits Interesse an der Nutzung der Seitenkapelle für Gottesdienste geäußert.
Bewahrung der Identität
Ein respektvoller Umgang mit dem historischen Bestand der Kirche sowie die Beibehaltung prägender Gestaltungselemente sind zentrale Aspekte des Umbaus. So werden beispielsweise Möbel und sakrale Gegenstände aus der Kirche umgenutzt. Kirchenbänke finden neue Verwendung als Sitzmöbel in der Boulderhalle. Darüber hinaus bleibt die Marienkapelle im rückwärtigen Bereich der Kirche erhalten und wird als Jugendkirche genutzt.
Die Hauptplanung und Ausführung liegen in den Händen der Berliner Architektin Isabelle Ihl, die unter der Mitwirkung von Next Habitat für die Genehmigungsverfahren zuständig ist. Das Team wird zudem von Stefan Epp, einem Experten für Boulderhallen, unterstützt. Die Zustimmung des Bistums Fulda sowie die Akzeptanz in der Gemeinde untermauern das Vorhaben.
Trends in der Kirchenumnutzung
Die Umnutzung von Kirchen nimmt in Deutschland zu, nicht zuletzt durch die sinkende Zahl von Gotteshäusern, die für den traditionellen Gottesdienst genutzt werden. Die steigende Zahl ungenutzter Kirchen zwingt viele Gemeinden, über die Zukunft ihrer Immobilien nachzudenken. So wird bald eine Publikation des Lehr- und Forschungsgebiets für Immobilienprojektentwicklung an der RWTH Aachen veröffentlicht, die sich mit der Umnutzung von Kirchen in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Diese Veröffentlichung wird 21 Beispiele für gelungene Umnutzungen präsentieren und aufzeigen, wie Gemeinden behutsame und bestandserhaltende Konzepte entwickeln können.
Die Betreiber der Boulderchurch Bad Orb hoffen, Besucher aus dem Dreieck Frankfurt-Aschaffenburg-Fulda zu gewinnen und mit ihrem Projekt ein innovatives Beispiel für die Nutzung leerstehender Gotteshäuser zu setzen. Dabei bleibt der Charakter des historischen Gebäudes spürbar, während gleichzeitig eine neue, dynamische Funktion entsteht.
Die Kombination aus Klettern und dem Verweilen in einem sakralen Raum eröffnet spannende Perspektiven für die Umnutzung von Kirchenräumen. Durch diese Ansätze wird deutlich, dass das Potenzial dieser Gebäude weit über traditionelle Nutzungsmöglichkeiten hinausgeht.