Die Testphase der elektronischen Patientenakte (ePA) hat begonnen, und bis zu 300 Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser aus Franken, Hamburg und Teilen von Nordrhein-Westfalen bringen das neue System in den Versorgungsalltag ein. Unterstützt wird die ePA von Dr. Stefan Spieren, einem Arzt aus Wenden. Gleichzeitig äußert Dr. Martin Junker, Hausarzt im Kreis Olpe, gewichtige Bedenken bezüglich des neu eingeführten Systems. Laut Siegener Zeitung befürchtet Junker, dass die ePA das Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis gefährde. Besonders besorgniserregend ist ihm der potenzielle Zugang Unbefugter zu sensiblen Gesundheitsdaten.
Ein zentraler Punkt in Junkers Argumentation ist, dass Apotheker beim Einlesen der Krankenkassenkarte für drei Tage Zugriff auf die Inhalte der ePA erhalten könnten, was er als unnötig und riskant ansieht. Seiner Meinung nach sollten lediglich bestimmte Informationen, wie der Medikamentenplan, für Dritte einsehbar sein. Dies wird auch durch ein Statement eines Sprechers der Bundesdatenschutzbeauftragten untermauert, der erläutert, dass Patienten die Vorteile der ePA nur nutzen können, wenn keine Dokumente verborgen bleiben.
Kritik an der Umsetzung
Junker kommt nicht umhin, die Heranführung an die ePA als „Zwangsteilnahme“ zu charakterisieren und prangert an, dass in den Informationsbriefen der Krankenkassen wichtige Informationen über die Risiken dieser Akte fehlen könnten. Für die Patienten gilt ein Opt-out-Verfahren: Wer keine ePA wünscht, muss dem aktiv widersprechen. Diese Widersprüche können schriftlich, online oder telefonisch geltend gemacht werden. Wer keinen Einspruch erhebt, wird voraussichtlich nach der Bundestagswahl einen ePA-Zugang erhalten.
In seiner Praxis gibt Junker Widerspruchserklärungen aus und betont, dass ein Widerspruch jederzeit möglich sei. Die entsprechenden Daten würden dann gelöscht. Zudem weist er darauf hin, dass die ePA bei ihrer Einführung leer sein wird und erst von den Patienten selbst befüllt werden muss. Wenn ein Patient sich später entschließt, der Nutzung der ePA zuzustimmen, kann er dies nach einem Widerspruch nachholen.
Digitale Entwicklungen im Gesundheitswesen
Im Hintergrund der Debatte um die ePA steht die allgemeine Digitalisierung des Gesundheitswesens, die laut Behörden Spiegel noch im Verzug ist. Der Bundestag erarbeitet aktuell zwei Gesetze zur Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Kritiker, darunter Vertreter der LINKEN und der AfD, äußern Sorgen über mögliche Missbrauchspotenziale und fordern ein höheres Maß an Schutz für die sensiblen Gesundheitsdaten der Bürger. Experten hingegen sehen in der ePA eine Chance zur Erhöhung der Datensicherheit.
Die ePA soll künftig mit strukturierten Gesundheitsdaten befüllt werden, was für die Automatisierung von Prozessen unabdingbar ist. Dr. Jens Baas von der Techniker Krankenkasse kritisiert die momentane Struktur, die zum Teil aus einem „Wust an PDFs“ besteht. Ab 2025 soll jeder Bürger eine ePA standardmäßig erhalten, es gilt das Opt-out-Verfahren. Widerspruchsmöglichkeiten müssen dabei barrierefrei zugänglich gemacht werden, wie es auch Prof. Ulrich Kelber von der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit fordert.
Rechtslage für Minderjährige
Ein weiterer Aspekt der ePA-Nutzung betrifft die Rechte von minderjährigen Patienten. Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es keine spezielle gesetzliche Altersbeschränkung für die Einrichtung und Nutzung der ePA. Auch Minderjährige haben das Recht, ihre Daten eigenständig zu verwalten, sobald sie als einwilligungsfähig gelten. Diese Regelung erlaubt es Kindern ab 15 Jahren, ohne Zustimmung der Eltern einen Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen.
Es ist jedoch erforderlich, dass die gesetzlichen Vertreter zustimmen, welche Dokumente in der ePA hinterlegt werden und wer Zugriff auf diese erhält. Die Zustimmung oder Einsichtnahme seitens minderjähriger Patienten kann im Einzelfall überprüft werden, wobei die Einwilligungsfähigkeit flexible Grenzen hat und je nach individueller Reife variieren kann.
Die elektronische Patientenakte steht somit nicht nur im Fokus der ärztlichen Diskussion, sondern wirft auch grundlegende Fragen zur Datensicherheit, zum Datenschutz und zur rechtlichen Lage von Minderjährigen auf, die einer ergebnisoffenen Debatte bedürfen.