Im Vorfeld der Bundestagswahl haben Umfragen ergeben, dass soziale Themen im Wahlkampf deutlich zu kurz kommen. Eine aktuelle Umfrage von Civey für den Sozialverband VdK zeigt, dass 72 Prozent der Befragten diese Meinung teilen. Der VdK-Präsidentin Verena Bentele ist es ein Anliegen, dass politische Konzepte zur Stärkung des Sozialstaates intensiver diskutiert werden sollten. Dabei stehen insbesondere Themen wie ausreichende Renten, ein funktionierendes und bezahlbares Gesundheits- und Pflegesystem sowie die Bekämpfung von Armut im Vordergrund. Bentele fordert eine stärkere Fokussierung auf diese Materie, besonders in der entscheidenden Woche des Wahlkampfes, um den Wählerbedürfnissen gerecht zu werden. Kabinett online berichtet von einer breiten Zustimmung zu der Feststellung, dass soziale Themen überall in Deutschland als unzureichend behandelt wahrgenommen werden.
Die Umfrage, die zwischen dem 11. und 13. Februar 2025 durchgeführt wurde, umfasste 5.000 Bundesbürger ab 18 Jahren. Die Ergebnisse sind repräsentativ und zeigen, dass lediglich 15 Prozent der Befragten die Behandlung sozialer Themen im Wahlkampf für angemessen empfinden. Weitere 10 Prozent sind der Ansicht, dass solche Themen sogar übermäßig diskutiert werden. Während die Zustimmung, dass soziale Fragen nicht adäquat behandelt werden, in allen Bundesländern und Gruppen zu finden ist, zeigt sich im Osten Deutschlands ein besonders ausgeprägtes Missverhältnis, wo nahezu 80 Prozent das Gefühl haben, dass soziale Themen vernachlässigt werden. VdK hebt hervor, dass insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sowie in schwierigen Lebenssituationen diese Themen im Wahlkampf vermissen.
Politisches Duell und soziale Fragestellungen
Die mangelnde Beachtung sozialpolitischer Themen wurde auch im jüngsten Duell zwischen den Spitzenkandidaten der großen Parteien, Friedrich Merz und Olaf Scholz, kritisiert. Viele Zuschauer und Analytiker vermissten grundlegende Diskussionen zu sozialen Fragestellungen, die für einen erheblicher Teil der Wählerschaft entscheidend sind.
Laut Sonntagsblatt haben Sachthemen im sozialen Bereich selten direkten Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Wähler. Es wird hingegen festgestellt, dass Begriffe wie „Soziale Gerechtigkeit“ und Themen wie Rente und Miete durchaus von den Bürgern als wichtig erachtet werden. Allerdings hat der Sozialwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck angemerkt, dass die Attraktivität der Spitzenkandidaten oft stärker gewichtet wird als die Themen, über die sie sprechen.
Wahlkampf-Aktivitäten und Wählerinteresse
Während viele Bürger die sozialen Umstände als kritisch empfinden, sind sie oft weniger betroffen von spezifischen sozialen Reformen, wie etwa Erhöhungen des Mindestlohns. Peter Matuschek vom forsa-Institut beschreibt das aktuelle Wahljahr als komplexer in seiner Entscheidungsfindung als in früheren Wahlzyklen. Soziale Themen, die in der Vergangenheit wie die Hartz-Reformen oft im Zentrum der Wählerinteressen standen, erscheinen in der gegenwärtigen politischen Agenda weniger relevant, da die SPD, die traditionell als kompetent in sozialen Fragen gilt, sich im aktuellen Wettbewerb auch auf andere Themen stützen muss.
Bentele appelliert an die politischen Parteien, sich in der verbleibenden Zeit vor der Wahl verstärkt um die Belange der Wähler zu kümmern und die sozialen Herausforderungen nicht zu ignorieren. Eine tiefere Auseinandersetzung mit diesen Themen könnte nicht nur die Sichtbarkeit der Parteien erhöhen, sondern auch dazu beitragen, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen.