Die Situation der Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen hat sich alarmierend entwickelt. Laut dem aktuellen NRW-Wohnungsnotfallbericht gibt es erstmals mehr wohnungslose Menschen in Landkreisen als in kreisfreien Städten. Mit 63 Personen pro 10.000 Einwohner in den Landkreisen verglichen mit 55 Personen in den Städten sind die Zahlen alles andere als ermutigend. Insgesamt sind rund 109.000 Menschen in NRW wohnungslos, ein Höchststand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2011. Der Anstieg von 30.240 Personen (+38,6 %) im Vergleich zum Vorjahr verdeutlicht die Dringlichkeit der Situation. In Westfalen-Lippe allein sind 47.885 Personen betroffen, ein Anstieg um 17.070 Personen (+55,4 %) im Vergleich zum Vorjahr, während im Rheinland 60.700 wohnungslose Menschen gezählt werden konnten.Vermieter-Ratgeber berichtet, dass ein erheblicher Teil dieses Anstiegs auf die Unterkunft von anerkannten Flüchtlingen zurückzuführen ist.
Dr. Georg Lunemann, Direktor des LWL, weist darauf hin, dass Wohnungslosigkeit auch im ländlichen Raum existiert, jedoch weniger sichtbar ist. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, verfolgt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Konzept „Housing First“. Hierbei erhalten Menschen mit komplexem Hilfebedarf zunächst eine Wohnung mit langfristigem Mietvertrag, bevor psychosoziale Hilfen bereitgestellt werden. Die Maßnahmen des LWL zur Unterstützung von Vermietern sind vielfältig – dazu zählen finanzielle Hilfen von bis zu 40.000 Euro für Neubauten oder Erwerb von Wohnungen sowie bis zu 30.000 Euro für die Sanierung bestehender Wohnräume. Für bezugsfertige Wohnungen gibt es zudem eine Prämie von bis zu 5.000 Euro.
Finanzielle Unterstützung für Vermieter und Klienten
Die Sicherstellung von Mietausfällen und Schäden bildet einen weiteren Baustein im LWL-Hilfsangebot. Bis zu sechs Monatskaltmieten werden für Instandsetzungsmaßnahmen oder im Falle von Zahlungsunfähigkeiten der Klienten gezahlt. Bis zum Jahr 2027 plant der LWL, insgesamt sechs Millionen Euro bereitzustellen, um das Programm flächendeckend in Westfalen-Lippe anzuwenden. In den letzten 24 Monaten konnten bereits 56 Wohnungen vermittelt werden. Vermieter Volker Eickhoff berichtet von positiven Erfahrungen mit der Betreuung neuer Mieter durch Sozialarbeiter, die regelmäßig wöchentliche Besuche durchführen.
Die aktuelle Entwicklung in Nordrhein-Westfalen ist nicht isoliert zu betrachten, sondern fügt sich in einen größeren Rahmen ein. Am 23. Januar 2025 fand der Zweite Jahreskongress des Nationalen Forums gegen Wohnungslosigkeit statt, organisiert vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Hier wurde das Ziel formuliert, Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Es zeigt sich, dass die Bundesregierung gemeinsam mit Bund, Ländern, Kommunen, Zivilgesellschaft und der Wirtschaft an Lösungen arbeitet.
Wachsen der Wohnungslosigkeit in Europa
Ein Blick auf die Lage in Europa verdeutlicht die Tragweite des Problems. Laut FEANTSA und der Abbé Pierre Stiftung sind im Jahr 2023 insgesamt 895.000 Menschen in Europa ohne Wohnung. Die Definition von Wohnungslosigkeit umfasst nicht nur Personen ohne festen Wohnsitz, sondern auch jene in Notunterkünften, Wohnheimen oder bei Freunden und Verwandten. Der Wohnungslosenbericht des Bundes dokumentierte bereits 2022 etwa 262.000 wohnungslose Personen, mit einer umfassenden Analyse, die alle zwei Jahre bereitgestellt wird.BMWSB
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Herausforderung der Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus in Deutschland immense Anstrengungen erfordert. Die strategischen Ansätze und finanziellen Mittel sind erste Schritte auf dem Weg zu einer möglichen Lösung, die jedoch nur in enger Zusammenarbeit aller betroffenen Akteure erreicht werden kann.