Holocaust-Überlebender Ernst Krakenberger, 84 Jahre alt, hat kürzlich an vier Berufsschulen in Neuwied gesprochen. Die Veranstaltungen fanden an der BBS Heinrich-Haus, der Ludwig-Erhard-Schule, der Alice-Salomon-Schule und der David-Roentgen-Schule statt und wurden vom Verein „Haus Israel Neuwied“ organisiert. Krakenberger ist ein eindrucksvoller Zeitzeuge, dessen Lebensgeschichte die Zuhörer stark berührt hat.
Krakenberger wurde 1940 in den Niederlanden geboren, nachdem seine Eltern 1939 aus Nürnberg geflohen waren. Um ihr Überleben zu sichern, musste er die ersten viereinhalb Jahre seines Lebens versteckt bei einer katholischen Familie leben. Die Erlebnisse während der deutschen Besatzung und der Hungerwinter von 1944/45 haben tiefe Spuren bei ihm hinterlassen. Seine Eltern überlebten vier Konzentrationslager, doch darüber haben sie ihr ganzes Leben nie gesprochen. Erst 1945 lebte er wieder bei ihnen.
Ein Appell zur Erinnerung
In seinen Vorträgen betonte Krakenberger die bleibende Bedeutung der Erinnerung an den Holocaust. Bei einer Diskussion über Verleugnung des Holocausts riet er den Schülern, Auschwitz zu besuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Seine Schilderungen machten es deutlich: Die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte wird immer wichtiger, insbesondere in Zeiten, in denen das Wissen über den Holocaust schwindet.
Die Anwesenden zeigten großes Interesse und stellten zahlreiche Fragen. Die Schüler diskutierten auch die heutige politische Lage und die fortdauernden Herausforderungen des Antisemitismus. Krakenberger, der seit 1966 in Deutschland lebt, äußerte zudem, dass er keinen deutschen Pass besitzen möchte, was seine ambivalente Beziehung zu diesem Land verdeutlicht.
An seinem Heimatort in Nürnberg erinnern neun Stolpersteine an seine Verwandten, die die Naziherrschaft nicht überlebten. Diese Gedenkstätten sind Teil einer breiteren Initiative, die von verschiedenen Organisationen, einschließlich der von Ethan Bergman geleiteten Initiative „Make Their Memory Shine“, unterstützt wird. Diese Initiative hat seit 2021 Freiwillige in über 92 Städten aus 23 Ländern mobilisiert, um Stolpersteine zu reinigen und damit die Erinnerung an die Holocaust-Opfer aufrechtzuerhalten.
Die Herausforderung der Erinnerungskultur
Die Stolpersteine sind kleine Betonblöcke mit Messingplaketten, die an den Wohnorten der Holocaust-Opfer platziert sind. Leider ist die Anzahl der Freiwilligen, die an Reinigungsaktionen teilnehmen, seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 zurückgegangen, was auf Sicherheitsbedenken und Vandalismus hinweist. Diese Probleme seien nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und Österreich spürbar.
Dennoch bleibt das Ziel dieser Initiativen das Gleiche: Die Erinnerung an den Holocaust lebendig zu halten und Brücken zwischen jüdischen und weniger jüdischen Gemeinschaften zu bauen. Wie Christa Wolf es treffend formulierte: „Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen.“ Dies gilt besonders für den Holocaust, dessen Opfer und Täter bald nicht mehr leben werden. Die Vielfalt deutscher Biografien muss in der Holocaust-Diskussion Berücksichtigung finden, um eine umfassende und integrative Gedächtniskultur zu fördern.
Gemeinsame Gespräche über Auschwitz und Antisemitismus können als Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Menschenwürde gesehen werden. Die Herausforderungen, die sich aus der Heterogenität der Gesellschaft ergeben, fordern alle dazu auf, sich mit der Geschichte und ihrer Bedeutung auseinanderzusetzen.
Krakenberger und Engagierte aus den Holocaust-Gedenkinitiativen stellen sicher, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, sondern dass die Lehren daraus für kommende Generationen erlebbar bleiben. Der Aufruf zur Erinnerung ist nicht nur eine Verpflichtung gegenüber den Opfern, sondern auch ein Beitrag zu einer toleranteren Gesellschaft.