Am 16. März 2025 fand in der Dreifaltigkeitskirche in Speyer eine eindrucksvolle Aufführung von Johann Sebastian Bachs Johannespassion (BWV 245) statt, die sowohl die musikalische als auch die spirituelle Wichtigkeit dieses Oratoriums betonte. Die Johannespassion, die 1724 in der Nikolaikirche in Leipzig uraufgeführt wurde, gilt als die älteste erhaltene Passion von Bach und ist ein tiefgreifendes Glaubenszeugnis, das sich mit dem Leiden und Sterben Jesu nach dem Evangelisten Johannes auseinandersetzt.
Das Werk wird oft als Justiz-Drama dargestellt, das reich an Konflikten, Machtspielen und Ungerechtigkeiten ist. Zentrale Elemente eines dramatischen Prozesses werden musikalisch hervorgehoben. Ein kritischer Punkt in der Passion ist das Verhör und die Verurteilung Jesu durch Pontius Pilatus, der zwischen dem Drang der Volksmenge und seiner Überzeugung von Jesu Unschuld hin- und hergerissen ist. Pilatus zeigt eine innere Zerrissenheit und fragt sich, ob Jesus tatsächlich schuldig ist. Er lässt Jesu Körper geißeln und bietet seine Freilassung an. Am Ende gibt er jedoch dem Druck der Menge nach und verurteilt Jesus zur Kreuzigung.
Musikalische und Dramatische Struktur
Die Struktur der Johannespassion besteht aus zwei Teilen, die eine Predigt umrahmen. Die Musik ist für SATB-Chor, Solisten sowie ein Orchester aus Holzbläsern, Streichern und Basso continuo geschrieben. Die dramatische Handlung zeigt entscheidende Szenen, darunter das Verhör bei Pilatus, die Kreuzigung und die Beerdigung Jesu. Über die Jahrhunderte hinweg wurde das Werk mehrfach überarbeitet, wobei Bach zwischen 1725 und 1749 zusätzliche Nummern hinzufügte und andere entfernte. Besonders häufig wird die überarbeitete Version von 1739–1749 aufgeführt, die zu Bachs Lebzeiten jedoch nie zur Aufführung kam, was den Reichtum seines Schaffens illustriert.
Bachs Libretto ist anonym und basiert nicht nur auf dem Johannesevangelium, sondern enthält auch Elemente aus anderen Evangelien. Im Rahmen dieser Aufführung wurden die Musik und die Texte lebendig und schufen eine Atmosphäre, die das Publikum tief berührte. Die Verwendung von Chören, die die Volksmenge darstellen, ist dramatisch und aggressiv und spiegelt die Massenhysterie wider, ein zentrales Motiv in Justiz-Dramen. Jesus selbst bleibt zwar ruhig und von souveräner Würde, doch das Werk verdeutlicht den Kontrast zwischen der Ungerechtigkeit des Verfahrens und der göttlichen Präsenz Jesu.
Historische Relevanz und moderne Aufführungen
Die Johannespassion ist nicht nur ein musikalisches Meisterwerk, sondern auch ein bedeutendes liturgisches Element. Traditionell wird sie oft am Karfreitag im Gottesdienst aufgeführt. Über die Jahre gab es immer wieder Diskussionen über den Text, insbesondere in Hinblick auf antisemitische Interpretationen. Einige moderne Aufführungen haben Texte angepasst, um sensibler mit dem Thema umzugehen. Die Wiederentdeckung der Passion in den 1810er Jahren in den USA führte zu einer erneuten Belebung von Bachs Chormusik und hat seinen Platz in der europäischen und amerikanischen Musiktradition fest verankert.
Die Verbindung zwischen Bachs Musik und der tiefen spirituellen Botschaft der Johannespassion macht sie zu einem zeitlosen Werk, das auch in der Aufführung in der Speyerer Dreifaltigkeitskirche eindrucksvoll zum Leben erweckt wurde. Das Publikum wurde eingeladen, sowohl die musikalische als auch die theologische Tiefe des Werks zu erleben und nachzuvollziehen, wie Bachs Kunst bis heute inspiriert und bewegt.