Am Sonntagabend, dem 17. Februar 2025, wurden Vladimir Hofmann und Daniel Stiefel zu neuen Führungspersönlichkeiten der Synagogengemeinde Saar gewählt. Diese Neuwahl folgt dem Rücktritt der bisherigen Vorsitzenden Ricarda Kunger und ihrer Stellvertreterin Nathalie Shabanzadeh, die am Samstag ihre Ämter niederlegten. Kunger und Shabanzadeh verwiesen auf unterschiedliche Auffassungen über die Zielsetzungen der Gemeinde als Grund für ihre Entscheidung. Der Rücktritt steht im Kontext eines Richtungsstreits zwischen liberalem Judentum und der Chabad-Strömung sowie russischsprachigen Zuwanderern, was zu Spannungen innerhalb der Gemeinde führte.
Vladimir Hofmann, Jahrgang 1965 und gebürtiger Ukrainer aus der Region Donezk, bringt eine beeindruckende Geschichte mit. Sein Großvater väterlicherseits war Vorsteher einer jüdischen Kolonie in Saporischja und spielte eine bedeutende Rolle bei der Evakuierung der Juden vor dem Nationalsozialismus. Hofmann ist seit 1996 Mitglied der Synagogengemeinde Saar und hatte zuvor das Amt des Repräsentanzvorsitzenden inne. Sein Stellvertreter, Daniel Stiefel, Jahrgang 1964, ist in Saarbrücken geboren und ebenfalls seit seiner Geburt Gemeindemitglied. Stiefels Großvater mütterlicherseits, Eduard Lehmann, war Mitbegründer der jüdischen Gemeinde im Saarland und von 1962 bis 1964 Vorstandsvorsitzender.
Neue Herausforderungen und Ziele
Der neue Vorstand setzt sich besonders für den interreligiösen Dialog und gegen Antisemitismus ein. Geschäftsführer Evgenij Mrinski dankte Kunger und Shabanzadeh in einer Pressemitteilung für ihre konstruktive Zusammenarbeit zur Förderung jüdischen Lebens und erklärte, dass die Sorgen über eine religiöse Neuausrichtung der Gemeinde unbegründet seien. Hofmann äußerte den Wunsch, die Kontakte zur Landesregierung und zu relevanten Institutionen zu vertiefen, um die Bedürfnisse der Gemeinde besser zu vertreten und zu fördern.
Gleichzeitig ist die Situation in der Gesellschaft angespannt. Seit dem Hamas-Angriff auf Israel im Jahr 2023 hat die Zahl antisemitischer Vorfälle im Saarland zugenommen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) berichtet von einem Anstieg der Vorfälle, besonders auf Pro-Palästina-Demos. Kritische Äußerungen dabei stellten nicht nur die Gefährdung des jüdischen Lebens in den Vordergrund, sondern auch Schwächen in der Handhabung durch die Polizei. Innenminister Reinhold Jost (SPD) verteidigte die saarländische Polizei und betonte die Balance zwischen dem Recht auf Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit.
Der interreligiöse Dialog als Schlüssel
Der antizipierte Dialog, zu dem der neue Vorstand einlädt, steht auch in einem größeren gesellschaftlichen Kontext. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, hebt die Bedeutung des interreligiösen Dialogs hervor, um Vorurteile abzubauen. Dies wird zunehmend als notwendig erachtet, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern, zumal die Zahl antisemitischer Angriffe in Deutschland im Jahr 2022 auf 1.839 angestiegen ist. Diese Vorfälle sind oft sowohl online als auch offline zu beobachten und haben unterschiedliche Motive, einschließlich religiöser und politischer Ausrichtungen.
Die Situation in Schulen ist ebenfalls besorgniserregend. Roland Rixecker, der Antisemitismusbeauftragte, wies auf problematische Entwicklungen hin. Junge Menschen verbreiten falsche Informationen über den Konflikt in sozialen Netzwerken, was die Bedenken von Ricarda Kunger bezüglich der Bildungs- und Erziehungssituation unterstreicht. Das Bildungsministerium hat bereits Maßnahmen zur Sensibilisierung von Schulleitungen ergriffen, um den gestiegenen Herausforderungen in den Schulen entgegenzuwirken.
Die Neuwahl von Hofmann und Stiefel markiert somit nicht nur einen Führungswechsel innerhalb der Gemeinde, sondern auch ein Potenzial für eine neue Herangehensweise an bestehende soziale Probleme, ganz im Sinne eines verantwortungsvollen interreligiösen Dialogs, der von verschiedenen Seiten als unerlässlich erachtet wird.