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Besuch im Westen: Ingo Schulze und die Geschichten des Ruhrgebiets

Ingo Schulze, der als "Metropolenschreiber Ruhr" ein halbes Jahr im Ruhrgebiet lebte, diskutiert bei einer Currywurst in Berlin über sein neues Buch "Zu Gast im Westen" und die anhaltenden gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sowie die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.

Im Kontext der kulturellen Verflechtungen zwischen Ost- und Westdeutschland beleuchtet der Schriftsteller Ingo Schulze in seinem neuesten Werk „Zu Gast im Westen“ die Erfahrungen und Eindrücke, die er während seines Aufenthalts im Ruhrgebiet gewann. Während der Autor, 1962 in Dresden geboren, zuvor mit Geschichten aus der Perspektive der DDR hervorgetreten ist, befasst sich dieses Buch mit der Begegnung zweier deutscher Identitäten und deren Auswirkungen auf die Gegenwart.

Ein Blick auf die Begegnungen

Ingo Schulze lebte ein halbes Jahr lang als „Metropolenschreiber Ruhr“ in Mühlheim. In dieser Zeit begegnete er nicht nur der typischen Ruhrgebietskultur, sondern auch dem Alltag der dort lebenden Menschen. Durch diese Erlebnisse und Beobachtungen entsteht ein facettenreiches Bild, das über die einfachen Geschichten des Lebens hinausgeht. Schulze erkundet, wie die politische Geschichte Deutschlands auch heute noch zu spüren ist und die Identität der Menschen prägt.

Ein Gespräch über Identität

Ein markanter Teil von Schulzes Aufenthalt war das Gespräch mit Nadine Kreuzahler. Bei einer Currywurst im Berliner Stadtteil Kreuzberg diskutierten sie über die Relevanz von Ost- und Westdeutschland in der heutigen Zeit. Diese kulinarische Wahl könnte nicht passender sein, ist das Gericht doch sowohl im Ruhrgebiet als auch in der Hauptstadt ein beliebter Snack und Teil der deutschen Esskultur. Schulze thematisiert, warum der Ursprung eines Menschen immer noch eine Rolle spielt, selbst Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung.

Gesellschaftliche Reflexionen und Herausforderungen

Ein besonders emotionales Erlebnis für Schulze war der Besuch eines Kriegsgräberfriedhofs in Mühlheim, wo der Krieg in der Ukraine in seiner ganzen Tragweite auf ihn einstürzte. Diese Konfrontation mit der Geschichte und den gegenwärtigen Konflikten spiegelt sich in seinem Werk wider und regt zur Reflexion über Frieden und Verlust in Europa an. Schulze zeigt, wie tief verwobene Geschichten, wie die des Ruhrgebiets und der DDR, in der heutigen Diskussion um Identität und Zugehörigkeit relevant sind.

Lesetipps und weitere Werke

Im Rahmen des Gesprächs empfiehlt Nadine Kreuzahler das Buch „Meine Katze Jugoslawien“ von Pajtim Statovci, das interessante Parallelen zu Themen wie Migration und Identität aufweist. Schulze selbst schlägt Olga Martynovas „Gespräch über die Trauer“ vor und beschreibt die Erzählungen aus verschiedenen Perspektiven als bereichernd für das Verständnis menschlicher Erfahrungen.

Der Autor und seine Auszeichnungen

Ingo Schulze hat mit seinen zahlreichen Romane und Erzählungen, darunter „Peter Holtz“ (2017) und „Die rechtschaffenen Mörder“ (2020), sich einen festen Platz in der deutschen Literatur erarbeitet. Seit November 2023 ist er Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, was seine Relevanz in der Literaturszene weiter unterstreicht.

Mit „Zu Gast im Westen“ bleibt Schulze nicht nur der Frage um Ost- und Westidentität treu, sondern öffnet auch einen Dialog über gegenwärtige gesellschaftliche Herausforderungen und die Suche nach Verständnis in einer vielfältigen und oft gespaltenen Gesellschaft.

NAG

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