Die Nacht des 27. November 1944 war für die Stadt Freiburg ein Albtraum. In den letzten Tagen ihrer Jugend hörte die 17-jährige Irene Müller die unheilvolle Melodie der herannahenden Bomber über Staufen. „Ich höre das Brummen bis heute“, sagt sie und lässt die schrecklichen Erinnerungen lebendig werden. Nur wenige Stunden später, als die ersten Bomben fielen, war die Hoffnung der Freiburger auf Frieden in Trümmern zerbrochen.
Mit einem verheerenden Feuersturm, der als „Operation Tigerfish“ in die Geschichte einging, bombardierten 292 britische Piloten die Stadt. In nur 20 Minuten regneten 11.500 Brandbomben auf Freiburg nieder. „Wir haben nicht geglaubt, dass so etwas möglich ist“, erinnert sich Müller, als sie die Zerstörung am nächsten Tag mit eigenen Augen sah. „Die Straßen waren leer – und das kurz vor Weihnachten!“
Ein Stadtbild in Trümmern
Die verheerenden Luftangriffe forderten unzählige Opfer. Schätzungen zufolge verloren rund 3.000 Freiburger ihr Leben. Die historische Altstadt, einst stolz und schön, wurde nahezu vollständig dem Erdboden gleichgemacht. Einzig der beeindruckende Freiburger Münster überstand das Inferno fast unbeschadet. „Es gab kaum eine Familie, die nicht betroffen war“, so Müller. „Die Schrecken dieser Nacht verfolgten uns alle.“ Die Folgen waren katastrophal: 40.000 Menschen flohen in den folgenden Monaten aus der Stadt, die einst 100.000 Einwohner zählte.
Warum wurde Freiburg überhaupt zum Ziel? Die Alliierten fürchteten, dass die Stadt eine strategische Rolle bei Truppenverschiebungen spielen könnte. Die verkehrsgünstige Lage an der Rheintalbahn und der Bahnstrecke nach Breisach ins Elsass machte sie zu einem potenziellen Ziel. So kam es zu einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Stadt.
Ein Erpel, der das Unheil ahnte
Eine der skurrileren Geschichten, die sich um die Angriffe ranken, ist die Legende des warnenden Erpels. Ein Erpel soll im Stadtpark laut geschnattert haben, was viele Bürger in die Bunker treib. Diese Legende inspirierte die Schaffung einer Statue, die 1953 eingeweiht wurde und heute an diesen schicksalhaften Tag erinnert.
Doch nicht jeder hatte das Glück, rechtzeitig in Sicherheit zu sein. Irene Müllers zukünftiger Schwiegervater, Johann Müller, war gerade auf dem Weg zur Arbeit, als der Angriff begann. „Gegen 19 Uhr hat er das Haus verlassen, nur 45 Minuten später fielen die Bomben“, erinnert sich Irene traurig. „Wir wissen nicht, ob und wo er begraben ist.“ Sein Schicksal bleibt bis heute ungewiss.
Die Erinnerungen an diesen schrecklichen Abend sind nicht nur eine persönliche Tragödie für viele, sondern auch ein Mahnmal für kommende Generationen. „Wir müssen die Geschichten erzählen“, sagt Müller. „Damit wir nie vergessen, was geschehen ist.“
Die Wunden der Vergangenheit
Jahre später sind die Narben des Krieges in Freiburg noch sichtbar. Der historische Altstadtkern, der einst das Herz der Stadt bildete, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Zerstörung hat die Menschen geprägt und ihre Geschichten sind Teil der kollektiven Erinnerung der Stadt. „Wir haben überlebt, aber die Schmerzen und die Erinnerungen bleiben“, sagt Müller mit einem Hauch von Traurigkeit in der Stimme.
Am letzten Gedenktag wurde der Opfer an einem Mahnmal gedacht, das die Schrecken des Krieges nie vergessen lassen soll. „Die lebendige Erinnerungskultur ist entscheidend“, betont Müller, „denn wir müssen aus der Vergangenheit lernen.“ Die Geschichten der Zeitzeugen sind nicht nur Erinnerungen, sondern auch Warnungen für die Zukunft.
In diesen Erinnerungen finden wir die Stärke, die auch die Freiburger nach den verheerenden Angriffen zeigte. Es ist ein Zeugnis des Überlebens und der Hoffnung, das auch heute noch relevant ist. „Wir müssen wissen, woher wir kommen, um zu verstehen, wohin wir gehen“, schließt Müller.
Erinnerungen, die nie verblassen
Die Geschichten von jener schicksalhaften Nacht sind nicht nur Teil der Geschichte Freiburgs, sie sind ein Teil der Menschheitsgeschichte. Der Schrecken des Krieges, die Zerstörung und das Leid bleiben in den Herzen der Menschen lebendig. „Es ist wichtig, dass wir diese Geschichten erzählen und die Erinnerung wachhalten“, sagt Müller mit einem entschlossenen Blick.
Die Stadt hat sich verändert, aber die Erinnerungen an die Nacht des 27. November 1944 werden nie verblassen. „Wir haben überlebt, aber die Wunden heilen nie ganz“, reflektiert Müller. Ihre Stimme trägt das Gewicht der Vergangenheit und das Versprechen, dass die Fehler von damals nicht wiederholt werden dürfen.
Die Zeit vergeht, aber die Erinnerungen bleiben – als Mahnmal für die Zukunft.