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Neue Beratungsstellen in Hessen: Hilfen für männliche Opfer sexualisierter Gewalt

In Hessen wurden kürzlich vier neue Beratungsstellen für männliche Opfer sexualisierter Gewalt eröffnet, um das bestehende Tabu zu brechen und Betroffenen wie Jungen und Männern, die in ihrer Kindheit oder Jugend Gewalt erfahren haben, Unterstützung zu bieten und die gesellschaftliche Wahrnehmung zu verändern.

In Hessen gibt es Fortschritte bei der Unterstützung von männlichen Opfern sexualisierter Gewalt. Die Schaffung neuer Beratungsstellen könnte einen wichtigen Schritt darstellen, um ein stark tabuisiertes Thema anzugehen. Ein Blick auf die Bedürfnisse und Herausforderungen der männlichen Betroffenen zeigt, dass sie oft vor besonderen gesellschaftlichen Barrieren stehen.

Neue Anlaufstellen für männliche Betroffene

Um die Lücke in der Beratung von männlichen Opfern zu schließen, wurden kürzlich vier neue Anlaufstellen in Wiesbaden, Gießen, Darmstadt und Kassel eröffnet. Diese Initiative zielt darauf ab, Jungen und Männern Unterstützung zu bieten, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erfahren haben. Johannes Höing von der Landeskoordinierungsstelle der Fachberatung betont, dass diese neuen Angebote bereits gut angenommen werden.

Das Doppeltabu der sexualisierten Gewalt

„Die meisten Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt sind aus der Frauenbewegung heraus entstanden, was bedeutet, dass der Fokus lange Zeit auf Frauen und Mädchen lag“, erklärt Höing. Jedoch zeigen Studien, dass etwa jeder zehnte männliche Mensch in seinem Leben sexualisierte Gewalt erfährt. Die Herausforderungen für männliche Betroffene sind besonders gravierend. Sie stehen nicht nur vor den traumatischen Erfahrungen, sondern auch vor gesellschaftlichen Vorurteilen und einem verstärkten Tabu, das es schwer macht, Hilfe zu suchen.

Gesellschaftliche Vorurteile und deren Einfluss

Anika Nagel von Wildwasser Wiesbaden weist darauf hin, dass viele Männer in ihrer Wahrnehmung hinderlich durch geschlechterspezifische Stereotypen geprägt sind, die festlegen, dass Jungen sich selbst wehren müssen. Dies verstärkt das Gefühl, dass sie als Opfer nicht ernst genommen werden. „Ein Kind kann sich niemals alleine aus einer solchen Situation befreien“, sagt Nagel und fordert ein Umdenken in der Gesellschaft.

Erste Erfolge und individuelle Erfahrungen

Die Beratungsstelle Wildwasser in Gießen hat bereits erste Erfolge erzielt: Die Leiterin Barbara Behnen berichtet von der Betreuung von zehn betroffenen Männern, die in einer Männergruppe Unterstützung finden. Diese Gruppen bieten eine wertvolle Plattform, um Erfahrungen auszutauschen und Ängste abzubauen. Viele Männer bringen die Befürchtung mit, dass sie durch ihre Erfahrungen als Täter wahrgenommen werden könnten, was den Zugang zu Hilfe erheblich erschwert.

Langfristige Perspektiven

Die steigende Nachfrage nach Beratung zeigt, dass das Interesse an Unterstützung für männliche Opfer wächst. Julius Wolf von der Fax Fachberatungsstelle in Kassel berichtet von einer Erhöhung der Beratungsanfragen, was darauf hindeutet, dass das Bewusstsein für dieses Thema zunimmt. Dies ist ein positiver Schritt, da Männer oft lange nach Hilfe suchen und die interne Stigmatisierung als „Männer sind keine Opfer“ überwinden müssen.

Schlussfolgerung

Die neuen Angebote in Hessen sind ein Schritt in die richtige Richtung, um Männern und Jungen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, eine Stimme zu geben. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, das gemeinsam erlebte Stigma aufzulösen und den Betroffenen die Sicherheit und den Mut zu geben, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Entwicklung und Festigung von Unterstützungsnetzwerken sind entscheidend, um die gesellschaftliche Wahrnehmung langfristig zu verändern.

dpa-infocom GmbH

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