Ein bemerkenswerter Lebensweg führt von den Grenztruppen der DDR bis ins Bürgermeisteramt von Treffurt. Michael Reinz, einst Grenzsoldat, hat die Wende von 1989 hautnah miterlebt. Während der Friedensgebete und Demonstrationen im Sommer und Herbst 1989 beobachtete er die aufkeimende Unruhe in der Bevölkerung. „Es wurde immer kribbeliger“, erinnert sich Reinz. Er ist froh, dass die Grenztruppen nicht zur Verteidigung eingesetzt wurden, was die Situation für viele Menschen hätte eskalieren können, wie MDR berichtete.
Am 9. November 1989, dem Tag, an dem die Mauer fiel, war Reinz vor allem mit dem Fußball beschäftigt. Er spielte in der ersten Mannschaft und wollte einen Kollegen aus der Kaserne für sein Team gewinnen. Doch auf dem Weg dorthin bemerkte er die vielen Autos, die in Richtung Westen fuhren. Diese Eindrücke sollten sein Leben für immer verändern.
Der Druck der Massen
Nach dem Fall der Mauer forderten die Menschen im Sperrgebiet lautstark, dass die Grenzen geöffnet werden. „Macht die Grenze auf!“ riefen die Großburschlaer, und am 13. November geschah es tatsächlich. Reinz beschreibt die Situation als angespannt: „Wie reagieren wir? Ist es wirklich so, dass die Grenzen offenbleiben?“ Diese Fragen beschäftigten die Grenzsoldaten in jenen Tagen. Er selbst wagte erst einige Wochen später den Schritt über die Grenze nach Hessen, was damals noch mit Unsicherheiten verbunden war.
Als er schließlich an der Kontrollstelle in Treffurt eingesetzt wurde, erlebte er eine friedliche Atmosphäre. Die Menschen waren glücklich, die Freiheit zu genießen und ungehindert zu reisen. „Sie holten sich ihr Stempelchen ab“, sagt Reinz. Die Grenzöffnung war für viele ein Grund zur Freude.
Von der Uniform zum Schreibtisch
Nach dem Ende seiner Dienstzeit bei den Grenztruppen im Juni 1990 musste Reinz umdenken. Der Studienplatz in Leipzig war verloren, und er fand eine Ausbildung als Bankkaufmann in Eschwege. Kaum ausgelernt, kehrte er nach Treffurt zurück und übernahm die Filialleitung der Bank von 1993 bis 2011. Seine Karriere nahm eine unerwartete Wendung, als er 2011 als parteiloser Einzelkandidat zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Bürger von Treffurt bestätigten ihn zweimal in seinem Amt.
Sein Büro im historischen Rathaus ziert eine Sammlung von Medaillen und Urkunden, die seine Leidenschaft für den Marathon widerspiegeln. Reinz ist nicht nur ein Bürgermeister, sondern auch ein Sportler, was ihn in seiner Rolle besonders macht.
Gemeinsam über die Grenze hinweg
Heute arbeitet Reinz eng mit dem Bürgermeister von Wanfried zusammen. Gemeinsam verfolgen sie zahlreiche Projekte, darunter die Gründung einer grenzüberschreitenden Feuerwehr und die Beteiligung an einer Bürgerenergiegenossenschaft für die Nahwärmeversorgung. Auch die Klärung des Abwassers von Großburschla in Wanfried könnte einfacher gestaltet werden. Zudem planen sie die Erneuerung des Unstrut-Werra-Radwegs von Heyerode bis Heldra.
Doch die Umsetzung dieser Projekte gestaltet sich oft schwierig. „Geld aus Thüringen darf nicht in Hessen verbaut werden und umgekehrt“, erklärt Reinz. Diese bürokratischen Hürden sind nicht nur hinderlich, sondern manchmal auch frustrierend. Dennoch bleibt er optimistisch und hofft auf bessere Regelungen, um die Zusammenarbeit zu erleichtern. Die einstige Grenze, die vor 35 Jahren fiel, ist heute kein Hindernis mehr für die freundschaftliche Kooperation zwischen den Gemeinden, wie MDR berichtet.