In einem dramatischen Wettlauf um die Zukunft der Apothekenlandschaft in Deutschland wird der Kampf um das E-Rezept immer intensiver. Die Werbeoffensive des niederländischen Unternehmens Redcare Pharmacy, das mit dem beliebten TV-Star Günther Jauch wirbt, sorgt für Aufregung. Die Apothekerin Birgitta Seemüller, die in Schliersee, Hausham und Holzkirchen mehrere Filialen betreibt, äußert sich besorgt über die Auswirkungen dieser Kampagne. „Wir haben ein Gesundheitssystem, um das uns die Welt beneidet, und wir machen es systematisch kaputt“, warnt sie. Diese kritischen Worte sind nicht unbegründet, denn die Werbung könnte die Apotheken vor Ort gefährden, wie [Merkur](https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/schliersee-ort29415/einen-riesigen-markt-der-kampf-ums-rezept-es-geht-um-93394906.html?womort=Miesbach) berichtet.
Die Apothekerin hebt hervor, dass eine Apotheke mehr ist als nur eine Abgabestelle für Medikamente. „Wir sind Versorger und Ansprechpartner“, erklärt sie. Die persönliche Beratung und die individuelle Betreuung der Patienten sind für sie unverzichtbar. Doch die Konkurrenz durch Online-Versandapotheken, die mit schnellen Lieferungen und vermeintlich günstigeren Preisen werben, stellt eine ernsthafte Bedrohung dar. „Es geht um Anteile an einem riesigen Markt“, so Seemüller weiter, und sie fragt sich, ob die Patienten bereit sind, das bewährte System aufzugeben.
Apothekensterben und finanzielle Herausforderungen
Die Realität sieht düster aus: Immer mehr Apotheken müssen schließen, da sich der Betrieb nicht mehr rechnet. „Wir haben ein sehr großes Wissen, das es tagtäglich kostenlos bei der Beratung in der Apotheke gibt“, betont Seemüller. Doch die finanziellen Rahmenbedingungen sind schwierig. Der Zwangsabschlag, den Apotheken an das Gesundheitssystem zahlen müssen, wurde kürzlich erhöht, was die wirtschaftliche Lage weiter verschärft. „Irgendwann geht die Wirtschaftlichkeit verloren“, warnt sie und fügt hinzu, dass die Honoraranpassungen seit Jahren ausbleiben.
Die Werbung der Online-Anbieter suggeriert, dass sie schneller und bequemer liefern können. Seemüller widerspricht: „Niemand ist schneller als die Apotheken vor Ort.“ Sie betont, dass ihre Apotheken bereits lange Hauslieferungen anbieten und auch E-Rezepte über Apps einreichen lassen. Doch die hohen Kosten für diese Dienstleistungen stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. „DocMorris kann Rabatte gewähren, die ich nicht geben darf“, erklärt sie und macht deutlich, dass die großen internationalen Anbieter durch Investoren unterstützt werden, während die lokalen Apotheken ums Überleben kämpfen.
Der lukrative Markt des E-Rezepts
Die Situation wird durch die massiven Marketingausgaben von Redcare Pharmacy noch komplizierter. Laut [Apotheke adhoc](https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/redcare-pharmacy-verliert-20-millionen-euro-in-neun-monaten/), hat das Unternehmen im Jahr 2024 bereits einen Fehlbetrag von 20,1 Millionen Euro verzeichnet. Trotz dieser Verluste verzeichnet Redcare ein Wachstum von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was zeigt, dass die aggressive Werbung Wirkung zeigt. CEO Olaf Heinrich ist optimistisch und spricht von einem großen Zuspruch für das elektronische Rezept in Deutschland.
Die Konkurrenz schläft nicht. Gerüchte besagen, dass Redcare Pharmacy möglicherweise den schweizerischen Konkurrenten DocMorris übernehmen könnte, der ebenfalls auf der Jagd nach deutschen E-Rezept-Kunden ist. DocMorris hat kürzlich seine Aktivitäten in der Schweiz verkauft, um sich stärker auf den deutschen Markt zu konzentrieren. „Das Schweizer Geschäft bestand zu drei Viertel aus Großhandel mit Belieferung von Ärzten“, erklärt CEO Walter Hess. Der direkte Kontakt zu Patienten ist für die Zukunft entscheidend.
Die Apothekerin Seemüller bleibt skeptisch. „Wir müssen uns fragen, ob wir bereit sind, unser bewährtes System aufzugeben“, sagt sie und appelliert an die Patienten, die Bedeutung der lokalen Apotheken nicht zu unterschätzen. Die Zukunft der Apotheken steht auf der Kippe, und der Kampf um das E-Rezept könnte entscheidend sein.